Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 5 • Ausgabe 14 • August 2003
 

Eine kurze Geschichte der Zeit

... oder wie unsere Altvorderen wieder lebendig werden

Ein Streifzug durch die Sitzungsprotokolle der Gemeinderatssitzungen
des Jahres1920

Im Zuge der Vergabe der Elektrifizierung des Ortsnetzes dürfte es im Gemeinderat zu heftigen Meinungsverschiedenheiten gekommen sein, wie aus dem Sitzungsprotokoll vom 9. Oktober 1920 herauszulesen ist:
„Es wird nach längerer Debatte beschlossen, und zwar mit 8 Stimmen, daß das Sitzungsprotokoll vom 4. 10. 1920 statuiert wird. Dagegen gestimmt haben Josef Engelhart, Anton Uchatius, Josef Kaufmann, Wilhelm Peter und Dr. Karl Lanz.“
„Uiber Antrag des Herrn Vicebürgermeisters Anton Indinger wird zur Abstimmung gebracht, an welche der beiden offeriernden Firmen das Ortsnetz zu vergeben ist.
Es stimmen für die Firma Siemens Schuckert die Herrn Gemeinderat Uchatius, Kaufmann, Engelhart, Peter und Dr. Lanz.
Für die Firma Paul Schmidt sämmtliche übrige Herrn und zwar Josef Rabacher, Anton Indinger, Johann Haselmann, Leopold Schoderböck, Simon Tauber, Josef Grill, Alois Gehringer, Franz Hanausek und Josef Marschall.
Hierüber erklärt Gemeinderat Dr. Karl Lanz daß er behufs Vermeidung jeder Verantwortlichkeit sein Amt als Lichtausschuß niederlegt. Als Ersatz wird Herr Simon Tauber einstimmig in den Lichtausschuß gewählt. Weiters erklärt Herr Uchatius sein Amt als Finanzausschuß niederzulegen. An dessen Stelle wird Simon Tauber zum Finanzrefe-renten gewählt.“

Die Fronten verliefen quer durch den Gemeinderat, unabhängig von der Herkunft der einzelnen Gemeinderäte!

In der Sitzung vom 14. Oktober 1920 wird dann die Geldbeschaffung geregelt:
„Uiber Antrag des Gemeinderates Herrn Dr. Karl Lanz wird mit Rücksicht auf die erhöhten Kosten des Ortsnetzausbaues einstimmig beschlossen statt des bereits bewilligten Darlehens von 600000 K ein solches von 850 000 Kronen aufzunehmen, und zwar zunächst 650000 Kronen von der Sparkasse Atzenbrugg zu entlehnen. Zugleich wird der Bürgermeister einstimmig ermächtigt, wegen Entlehnung der 200 000 K mit der Sparkasse Atzenbrugg in Fühlung zu treten und wenn diese es nicht bewilligen sollte, das Geld anderwärtig zu möglichst günstigen Bedingungen zu beschaffen.“
„Das Ansuchen des Anton Widauer um Freiwillige Versteigerung des Viehes und der Fahrnisse wird gegen Zahlung des Armenprozentes genehmigt und die Ausstellung der Viehpässe zugesichert.“

Sitzung vom 28. November 1920, wieder geht es um die Elektrifizierung:
„Erster Punkt der Tagesordnung ist die Beschlußfassung über die Herstellung der Hausanschlüsse.
Uiber Antrag des Vizebürger-meisters Anton Indinger wird beschlossen, daß die Hausanschlüsse seitens der Parteien vorderhand selbst bezahlt werden und daß diese Kosten seinerseits durch die Gemeinde rückvergütet werden und zwar innerhalb 5 Jahren unverzinslich, dies ist so zu verstehen, daß der Betrag leihweise von sämtlichen Lichtaufnahmen ausgelegt wird.“

Die soziale Einstellung des Gemeinderates zeigte sich in folgendem Punkt:
„Dem Ansuchen des Josef Winkler vom 25. Oktober 1920 wird dahin erledigt, daß ihm mit Rücksicht auf das am Abend ausgebrochene Schadenfeuer die Lustbarkeitssteuer nachgelassen wird.“

Um die Gehälter ging es in der Sitzung vom 7. Dezember 1920:
„Erster Punkt der Tagesordnung ist die Gehaltsregulierung. Nach längerer Debatte wird einstimmig beschlossen, dem Gemeindediener ab 1. Jänner 1921 monatlich 500 K, dem Sekretär ebenfalls ab 1. Jänner 1921 monatlich 1000 Kronen genehmigt.
Weiters wird beschlossen, dem Herrn Gemeindevorsteher ab 1. Jänner 1921 die Remuneration von 1600 K auf 3200 K.
Für eine Fahrt nach Tulln 80 Kronen, für eine Fahrt nach Wien 100 K bewilligt.“
Interessant, der Sekretär bekam das Doppelte, der Bürgermeister mehr als Sechsfache des Gemeindedieners plus der Fahrtspesen. Man vergleiche mit den heutigen Gehältern!
„Weiters wird dem Gemeindesekretär Adolf Iseppi in Anerkennung seiner vieljährigen ausgezeichneten Dienstleistung einstimmig das volle Vertrauen ausgesprochen.“

Aus dem Sitzungsprotokoll vom 21. Dezember 1920:
„Sohin wird der Erlaß der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 6. 12. 1920 betreffend das Ansuchen des Rudolf Serloth um Verleihung der Gasthaus-conzession zur Kenntnis des Gemeinderates gebracht und hierauf einstimmig beschlossen, das Ansuchen mit Rücksicht darauf, daß das Lokal an der durch Heil Eich führenden Bezirksstraße gelegen, die polizeiliche Uiberwachung eine leichte ist, ferner das Gastgewerbe auf diesen Hause seit mehr als 50 Jahren betrieben wird, wärmstens befürwortend rückzuleiten.“

Wird fortgesetzt.

 

PROTOKOLL

aufgenommen am 14.Oktober 1920
in der Gemeindekanzlei von Atzenbrugg

Erscheint Herr Anton Widauer Wirtschafts-besitzer in Ebersdorf und gibt an:
Ich bin gezwungen, mein Vieh zu verkaufen, nachdem ich mir in St. Pölten eine andere Wirtschaft gekauft habe, und bitte um Bewilligung, das Vieh freiwillig versteigern zu dürfen, auch bitte ich zu veranlassen, daß das Vieh aus der Gemeinde ausgeführt werden kann und ich hiefür Viehpässe erhalte.
Auch wird derselbe Fahrnisse und andere Ge-genstände im freiwilligen Lizitationswege veräußern.

Vor mir
Iseppi

Ansuchen des Wirtschaftsbesitzers Anton Widauer aus Ebersdorf an die Gemeinde Atzenbrugg, welches der gestrenge Sekretär in der damals typischen Beamtendiktion verfaßte.