Eine kurze Geschichte der
Zeit
... oder wie unsere Altvorderen wieder lebendig werden
Ein Streifzug durch die Sitzungsprotokolle der Gemeinderatssitzungen
des Jahres1920
Im
Zuge der Vergabe der Elektrifizierung des Ortsnetzes
dürfte es im Gemeinderat zu heftigen Meinungsverschiedenheiten gekommen
sein, wie aus dem Sitzungsprotokoll vom 9. Oktober 1920 herauszulesen ist:
„Es wird nach längerer Debatte beschlossen, und zwar mit 8 Stimmen,
daß das
Sitzungsprotokoll vom 4. 10. 1920 statuiert wird. Dagegen gestimmt haben Josef
Engelhart, Anton Uchatius, Josef Kaufmann, Wilhelm Peter und Dr. Karl Lanz.“
„Uiber Antrag des Herrn Vicebürgermeisters Anton Indinger wird zur
Abstimmung gebracht, an welche der beiden offeriernden Firmen das Ortsnetz zu
vergeben ist.
Es stimmen für die Firma Siemens Schuckert die Herrn Gemeinderat Uchatius,
Kaufmann, Engelhart, Peter und Dr. Lanz.
Für die Firma Paul Schmidt sämmtliche übrige Herrn und zwar Josef
Rabacher, Anton Indinger, Johann Haselmann, Leopold Schoderböck, Simon
Tauber, Josef Grill, Alois Gehringer, Franz Hanausek und Josef Marschall.
Hierüber erklärt Gemeinderat Dr. Karl Lanz daß er behufs Vermeidung
jeder Verantwortlichkeit sein Amt als Lichtausschuß niederlegt. Als Ersatz
wird Herr Simon Tauber einstimmig in den Lichtausschuß gewählt. Weiters
erklärt Herr Uchatius sein Amt als Finanzausschuß niederzulegen. An
dessen Stelle wird Simon Tauber zum Finanzrefe-renten gewählt.“
Die Fronten verliefen quer durch den Gemeinderat, unabhängig von der Herkunft
der einzelnen Gemeinderäte!
In der Sitzung vom 14. Oktober 1920 wird dann die Geldbeschaffung
geregelt:
„Uiber Antrag des Gemeinderates Herrn Dr. Karl Lanz wird mit Rücksicht
auf
die erhöhten Kosten des Ortsnetzausbaues einstimmig beschlossen statt des
bereits bewilligten Darlehens von 600000 K ein solches von 850 000 Kronen aufzunehmen,
und zwar zunächst 650000 Kronen von der Sparkasse Atzenbrugg zu entlehnen.
Zugleich wird der Bürgermeister einstimmig ermächtigt, wegen Entlehnung
der 200 000 K mit der Sparkasse Atzenbrugg in Fühlung zu treten und wenn
diese es nicht bewilligen sollte, das Geld anderwärtig zu möglichst
günstigen Bedingungen zu beschaffen.“
„Das Ansuchen des Anton Widauer um Freiwillige Versteigerung des Viehes
und der
Fahrnisse wird gegen Zahlung des Armenprozentes genehmigt und die Ausstellung
der Viehpässe zugesichert.“
Sitzung vom 28. November 1920, wieder geht es um die Elektrifizierung:
„Erster Punkt der Tagesordnung ist die Beschlußfassung über
die Herstellung
der Hausanschlüsse.
Uiber Antrag des Vizebürger-meisters Anton Indinger wird beschlossen, daß die
Hausanschlüsse seitens der Parteien vorderhand selbst bezahlt werden und
daß diese Kosten seinerseits durch die Gemeinde rückvergütet
werden und zwar innerhalb 5 Jahren unverzinslich, dies ist so zu verstehen, daß der
Betrag leihweise von sämtlichen Lichtaufnahmen ausgelegt wird.“
Die soziale Einstellung des Gemeinderates zeigte sich in folgendem Punkt:
„Dem Ansuchen des Josef Winkler vom 25. Oktober 1920 wird dahin erledigt,
daß ihm
mit Rücksicht auf das am Abend ausgebrochene Schadenfeuer die Lustbarkeitssteuer
nachgelassen wird.“
Um die Gehälter ging es in
der Sitzung vom 7. Dezember 1920:
„Erster Punkt der Tagesordnung ist die Gehaltsregulierung. Nach längerer
Debatte wird einstimmig beschlossen, dem Gemeindediener ab 1. Jänner 1921
monatlich 500 K, dem Sekretär ebenfalls ab 1. Jänner 1921 monatlich
1000 Kronen genehmigt.
Weiters wird beschlossen, dem Herrn Gemeindevorsteher ab 1. Jänner 1921
die Remuneration von 1600 K auf 3200 K.
Für eine Fahrt nach Tulln 80 Kronen, für eine Fahrt nach Wien 100 K
bewilligt.“
Interessant, der Sekretär bekam das Doppelte, der Bürgermeister mehr
als Sechsfache des Gemeindedieners plus der Fahrtspesen. Man vergleiche mit den
heutigen Gehältern!
„Weiters wird dem Gemeindesekretär Adolf Iseppi in Anerkennung seiner vieljährigen
ausgezeichneten Dienstleistung einstimmig das volle Vertrauen ausgesprochen.“ Aus dem Sitzungsprotokoll vom 21. Dezember
1920:
„Sohin wird der Erlaß der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 6. 12. 1920 betreffend
das Ansuchen des Rudolf Serloth um Verleihung der Gasthaus-conzession zur Kenntnis
des Gemeinderates gebracht und hierauf einstimmig beschlossen, das Ansuchen mit
Rücksicht darauf, daß das Lokal an der durch Heil Eich führenden
Bezirksstraße gelegen, die polizeiliche Uiberwachung eine leichte ist,
ferner das Gastgewerbe auf diesen Hause seit mehr als 50 Jahren betrieben wird,
wärmstens befürwortend rückzuleiten.“
Wird fortgesetzt.
PROTOKOLL
aufgenommen am 14.Oktober 1920
in der Gemeindekanzlei von Atzenbrugg
Erscheint Herr Anton Widauer Wirtschafts-besitzer in Ebersdorf und gibt
an:
Ich bin gezwungen, mein Vieh zu verkaufen, nachdem ich mir in St. Pölten
eine andere Wirtschaft gekauft habe, und bitte um Bewilligung, das Vieh
freiwillig versteigern zu dürfen, auch bitte ich zu veranlassen,
daß das Vieh aus der Gemeinde ausgeführt werden kann und ich
hiefür Viehpässe erhalte.
Auch wird derselbe Fahrnisse und andere Ge-genstände im freiwilligen
Lizitationswege veräußern.
Vor mir
Iseppi
Ansuchen
des Wirtschaftsbesitzers Anton Widauer aus Ebersdorf an die Gemeinde
Atzenbrugg, welches der gestrenge Sekretär in der
damals typischen Beamtendiktion verfaßte.
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