Moosbierbaumer
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Rettung anno dazumalAls es noch kein „ROTES KREUZ“ gab. Es war September 1925. Ich war „Taferlklasslerin“ und ging bereits zwei Wochen in die Schule, als ich an einer Blinddarmentzündung erkrankte. Weil ich bereits in der Schule erbrechen musste, schickte mich die Lehrerin mit einem Mädchen aus der 6. Klasse, der Deimel Pepi, heim. Auf Ersuchen meiner Mutter lief diese zu Dr. Goldner, unserem Gemeindearzt, damit er sofort kommen möge. Dies geschah auch. Leider erkannte Dr. Goldner die Gefahr nicht und ordnete Bauchwickel, kalt oder warm, wie ich sie ertragen würde, an. Durch diese Wickel wurden die Schmerzen im Bauch immer ärger und am Nachmittag musste wieder der Doktor gerufen werden. Natürlich alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad, denn Telefone gab es damals noch nicht im Dorf. Leider war der Doktor nicht daheim. Er wurde von einem Bauern per „Federnwagen“ nach Watzendorf zu einem Patienten geholt. So vergingen Stunden, bis der Arzt zu mir kam. Als er mich wieder untersuchte, stellte er eine akute Blinddarmentzündung fest. Es hieß, sofort ins Spital nach Klosterneuburg. Aber wie? Der letzte Zug Richtung Wien war bereits abgefahren, Autobesitzer gab es damals noch nicht. So ersuchte mein Vater in höchster Not Pferdebesitzer uns nach Tulln zu bringen, wo auch später noch Züge nach Wien fuhren. Aber die Bauern wollten nicht mehr so spät einspannen, weil die Pferde den ganzen Tag vor der Sämaschine gegangen sind und müde waren. So kam mein Vater nach Heiligeneich in das Gasthaus Ring. Das gleiche Ergebnis. Mein Vater rief verzweifelt: „Dann muss ich mein Kind sterben lassen!“ Dies hörte der Bierführer, Herr Böck aus Trasdorf, der gerade abseits von den anderen Gästen sein Nachtmahl aß. Er versprach meinem Vater, sofort mit den Pferden nach Moosbierbaum in die Kellergasse zu gehen und vom Presshaus den Landauer zu holen, um mit uns dann nach Tulln zum Bahnhof zu fahren. Dort angekommen, rief der Sperrschaffner: „Sofort einsteigen, der letzte Zug nach Wien fährt gleich ab.“
In Klosterneuburg angekommen wollten meine Eltern mit dem Taxi zum Spital, aber der Taxler sagte, es sei nicht weit, es zahlt sich nicht aus, einzusteigen. Mir ging es so schlecht vor Schmerzen, dass ich nur mehr steif auf beiden Armen meiner Mutter liegend, tranportiert werden konnte. Endlich beim Spital angekommen, öffnete der Portier das Tor und sagte zu meinen Eltern, im Spital sei keine Kinderabteilung, wir müssen nach Wien. Der Portier wollte gerade das Tor schließen, als eine Klosterschwester kam und ihn anherrschte, ob er nicht sähe, dass dieses Kind sterbenskrank sei. Er muss sofort den Primar und Ärzte verständigen. Schickte mir ein Schutzengel diese Schwester? Nun ging alles sehr schnell. Ich wurde jedenfalls in letzter Minute um 1 Uhr 30 operiert, hatte sechs Glasröhrchen in der Wunde für den Eiterabfluss. Bis zum Morgen war mein Gitterbett auf dem Gang und meine Eltern bei mir, dann kam ich erst in ein Krankenzimmer. Weil meine Eltern bereits weg waren, tösteten und umsorgten mich die geistlichen Schwestern, sodass ich bald Vertrauen zu ihnen fasste. Sie zeigten mir, wie die Zeiger der Uhr stehen mussten, wenn mich die Mutter besuchen kommt. Wenn sie manchmal später kam, gab es bei mir schon Tränen und die Schwester kam mit dem Lavoir, um diese damit aufzufangen - und die ganze Umgebung lachte, bis auch ich wieder lachen musste. Ich wurde jeden Tag frisch verbunden, was nicht ganz schmerzlos war. Vorher wurde gespielt mit Arzt und Schwester und dann bekam ich ein Tüchlein über das Gesicht, so dass ich nicht sehen konnte, was der Arzt an meinem Bauch machte. Als ich das erste Mal aufstehen durfte, ging ich Hand in Hand bei der Visite dem Primar entgegen. Mit ausgebreiteten Händen und voll Freude und Stolz in seine Arme. Ich durfte sehr viel Zeit im Schwesternzimmer verbringen, weil sie mit mir sehr viel lernten. Ich war ja drei Monate, bis Weihnachten, im Spital. Als mich dann daheim meine Lehrerin besuchte, stellte sie fest, dass ich mehr konnte, als meine Mitschüler. So konnte ich die erste Klasse, dank meiner mich betreuenden Klosterschwestern, mit lauter Einsern abschließen. Schwester Dekarosa, sie war es auch, die mich im Spital aufnahm, schenkte mir zum Abschied zwei Marterl aus Porzellan mit betendem Buben und Mädchen davor. Dieser Talisman begleitet mich mein ganzes Leben lang!
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