Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 6 • Ausgabe 18 • Dezember 2004

 

Jenneweins Nachfahren

Die Geschichte vom Wildschütz Jennewein ist sicher unseren Leserinnen und Lesern wohlbekannt, darum soll über diese tragische Begebenheit auch nicht weiter geschrieben werden. Dass Wilddiebstähle aber nicht nur in Wald- und Gebirgsgegenden, sondern auch in unserer Gemeinde vorkamen, dies sei hiemit vermerkt.

Es kam selten vor, dass bei uns Wilderei aus Leidenschaft gepflegt wurde, in den meisten Fällen waren es Notsituationen, in welchen sich damals viele Familien befanden. Um diese zu lindern, wurde eben - gewildert! Gewissensbisse plagten die Wilddiebe insoferne nicht, war doch nach ihrer Meinung der Jagdpächter ein gutsituierter Mann, dem man ohnehin etwas wegnehmen konnte.

In jener Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg war Herr Julius Konrad, Hotelier aus Wien, Jagdpächter im westlichen Gemeindegebiet von Atzenbrugg. Wie Zeitzeugen berichten, war Herr Konrad ein herzensguter Mensch, der sehr wohl von den Wilderern in seinem Revier wusste, der aber auch die Notlage der Wilderer kannte. Daher duldete er auch die Wilddiebstähle. Nur wurden die Wilderer immer dreister, sie veranstalteten regelrechte Treibjagden, und als dann eines Tages der Jagdpächter selbst von den Wilderern bedroht wurde, kam es zur Anzeige.


Julius Konrad, gest. 1954, begraben im Friedhof Heiligeneich

In einer Zeitung aus jener Zeit kann man folgendes lesen:

Wilderern das Handwerk gelegt

Um die Täter von Wilddiebstählen zu überführen, wurde in der letzten Zeit in zwei Ortschaften in Niederdonau bei jenen Personen Nachschau gehalten, die bereits verdächtigt waren, derartige Straftaten begangen zu haben.

Es sind dies der Hilfsarbeiter Anton G., der Landwirt Josef G., der Hilfsarbeiter Viktor R., der Landwirt Adolf K., der Schlossergehilfe Anton K., die Landwirte Franz K. und Karl K., und der Landwirt Johann Z.

Bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen wurden sechs Flobertgewehre, zwei umgearbeitete Militärkarabiner, zwei Schrotflinten, sechs Schlageisen, 14 Stück Rehgeweihe, zwei Feldhasenbälge und eine große Menge Flobert- und Jagdmunition gefunden.

Die Wilderer sind überwiesen, seit dem Jahre 1938 im Jagdrevier eines Wiener Jägers Rehe, Feldhasen und Fasane gewildert zu haben. Einige Wilddiebe wurden festgenommen und dem Landgericht zugeführt, während die anderen zur Anzeige gebracht wurden.

Dem Gendarm Michael Binder aus Heiligeneich oblag es, die Wilderer zu verhaften und auf den Posten nach Atzenbrugg zur Einvernahme zu bringen. Ältere Leute können sich noch daran erinnern, wie er mit geschultertem Gewehr seine Gefangenen zu Fuß nach Atzenbrugg trieb.

Rudolf Reither