Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 5 • Ausgabe 13 • April 2003
 

EINE KURZE GESCHICHTE DER ZEIT

... oder wie unsere Altvorderen wieder lebendig werden
Ein Streifzug durch die Sitzungsprotokolle der Gemeinderatssitzungen des Jahres l 920
Sven Anton Müller Schön langsam wurden auch die Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges beseitigt:
"
.. Uiber Antrag des geschäftsführenden Gemeinderate Anton Indinger wegen Beschaffung von Kirchenglocken wird beschlossen, daß den beiden geschäftsführenden Gemeinderäten der Gemeinden Atzenbrugg und Trasdorf dies überlassen werde."

Ein sehr großes Projekt wurde in der Sitzung vom 6. April 1920 gestartet: Die Elektrifizierung der Gemeinde!

Hiezu beigezogen wurde der Vizebürgermeister der Gemeinde Würmla, Eduard Bayer.

„Herr Bürgermeister Josef Rabacher begrüßt sodann Herrn Eduard Bayer und erteilt denselben das Wort zur Aufklärung über die projektierte Beleuchtungsanlage.

Auf Grund seiner Ausführungen bringt der Bürgermeister ,folgende Anträge zur Abtimmung:
1 .Beteiligt sich die Gemeinde überhaupt an dem Unternehmen mit einstimmig ja.
2. Mit welchen Kapitalbetrage beteiligt sich die Gemeinde Atzenbrugg?
Vorgeschlagen 750.000 Kronen. Einstimmig ja.
Die Frage der Geldbeschaffung bleibt vorläufig in Schwebe.

Bei der darauf folgenden Sitzung am 24. April 1920 wurde man bezüglich der Finanzierung schon etwas konkreter:
„Als erster Punkt der Tagesordnung ist die Beschlußfassung über die Aufnahme des Darlehens, für das Electrizitätswerk gemeinwirtschaftliche Anstalt in Herzogenburg.
Nach längerer Debatte wird einstimmig beschlossen den Betrag von 750. 000 Kronen aufzunehmen. Als Gläubiger wird die Sparkasse Atzenbrugg in Aussicht genommen.”

Auch ein paar ganz kuriose Punkte wurden bei dieser Sitzung beschlossen:
„Weiters wird einstimmig beschlossen den Wirtschaftsbesitzer Josef Bachinger in Weinzirl noch vor dem 1. Sept. 1920 zu verhalten, daß er den bei ihm stehenden Stier liefert."
Es dürfte sich hier um den Gemeindestier gehandelt haben.

„Weiters wird beschlossen und zwar mit 8 Stimmen, die Kirchenuhr auf die alte Zeit zurückzustellen."
Die Gemeindeväter als Herren der Zeit - und das nicht einmal einstimmig!

Im Mittelpunkt der Sitzung vom 21. März 1920 steht die Nahrungsmittelversorgung:
„Erster Punkt der Tagesordnung ist die Beschlußfassung über die Aufbringung des Fleisches.
Uiber Antrag des Herrn Gemeinderat Peter wird beschlossen künftighin beschlagnahmtes Fleisch mit 32 Kronen zu verkaufen.
Weiters wird über Antrag des Gemeinderates Anton Indinger beschlossen, daß der Fleischbeschauer künftighin bei jeder Schlachtung von Einkaufspreis eine Provision von höchstens fünf Prozent erhält."

Currende!
Die geehrten Mitglieder der Gemeinde Vertretung von Atzenbrugg werden hiemit zu der am Samstag den 9. Oktober 1920 präcise 1/2 8 Uhr abends in Herrn Alois Weidlingers Gasthaus zu Atzenbrugg stattfindenden Gemeinderats - Sitzung eingeladen.
Tagesordnung
Endgiltige Beschlußfassung über die Vergebung des Ortsnetzes.
Gemeinde Vorstehung Atzenbrugg
am 7. Oktober 1920
Der Bürgermeister


Beispiel für eine Einladungskurrende in einer Gemeinderatssitzung, die damals in Ermangelung eines Gemeindehauses in einem Gasthaus (dem späteren Gasthaus Kögl in Atzenbrugg) stattfinden mußte.

Wichtigster Punkt der Sitzung vom 29. Mai 1920 ist die Beschlußfassung über die Herausgabe von Notgeld.
„Nach längerer Debatte wird mit neun gegen eine Stimme beschlossen, Notgeld herauszugeben.
Ferner wird beschlossen, je 10.000 Stück zu 10, 20 und 50 Heller herstellen zu lassen.
Zur Durchführung werden die Herren Josef Rabacher, Anton Indinger, Anton Uchatius, Josef Grill, und Leopold Schoderböck in den Unterausschuß gewählt.
Dem Ansuchen des Oberlehrer Wilhelm Peter wird dahin Folge gegeben, daß mit 9 gegen 1 Stimme beschlossen wird anläßlich des Fronleichnamsfestes 100 K zu bewilligen.
Weiters wird beschlossen, öffentlich kundzumachen, daß Geflügel nicht auf der Straße zu lassen ist, und daß Zuwiderhandelnde im Sinne der Ortspolizeiordnung mit Ordnungsstrafen bis 50 Kronen belegt werden"
Da machte sich wohl schon der beginnende Autoverkehr bemerkbar.

Und wieder einmal ging es um den elektrischen Strom, und natürlich wieder um die Finanzierung, hier in der Sitzung vom 9. August 1920.
“ ... ist die Beschlußfassung über die weitere Aufnahme eines Darlehens zur Herstellung des elektrischen Lichtes in der Gemeinde Atzenbrugg.
Nach längerer Debatte wird beschlossen, neuerlich 600.000 Kronen bei der Sparkasse zu Atzenbrugg aufzunehmen, da mit das Ortsnetz hergestellt werden kann. Gegen den Antrag stimmt Herr Alois Gehringer und der Abstimmung enthaltet sich Josef Engelhart.
Ferner wird ein Elektrizitäts Ausschuß gewählt und zwar, für Atzenbrugg Herr Bürgermeister Josef Rabather und Dr. Karl Lanz, Ebersdorf Alois Gehringer. Heil Eich Anton Indinger. Moosbierbaum Leopold Schoderböck, Tautendorf Josef Grill und Weinzirl Johann Haselmann.
Weiters wird beschlossen, daß der gewählte Ausschuß behufs Abnahme von Licht bei den einzelnen Besitzern vorzusprechen hat. Diese Anmeldung muß bis längstens 20. d. M. durchgeführt sein."

Gemeinderäte als Stromkeiler - wer könnte sich das heuzutage vorstellen?

Am 4. Oktober 1920 kam es dann endlich zur Vergabe des Ortsnetzbaues.
„Zu dieser Sitzung werden beigezogen die Herren Ingenieur Paul Schmidt und Lautern letzterer in Vertretung der Firma Siemens - Schuckert. Diese Herren erklären dem Gemeinderat die vorgelegten Projekte wegen Ausbaues des elektrischen Ortsnetzes der Gemeinde Atzenbrugg.
Hierauf wird in deren Abwesenheit über die Vergebung des Ortsnetzbaues beraten und über Antrag des Bürgermeisters Josef Rabacher einstimmig beschlossen, den Ausbau des Ortsnetzes der Firma Siemens - Schuckert zu übertragen, jedoch untergewissen Vorsichten insbesondere unter der Bedingung, daß die Materialbeschaffung binnen kürzester Frist nach Leistung der Anzahlung erfolgen müsse und daß die Gesammtkosten einschließlich sämmtlicher Zweitanschlüsse eine Million Kronen nicht übersteigen dürfen."

Sie waren ja doch sehr mißtrauisch, unsere Gemeindeoberen!

Geldnot - Notgeld

In den Jahren 1920 und 1921 wurden in vielen Gemeinden Österreichs eigene Geldscheine herausgegeben, auch in hier in Atzenbrugg, solche Scheine werden „Notgeld" genannt.
An und für sich wurde damals Notgeld herausgegeben, weil es keine oder sehr wenige Metallmünzen gab. Diese waren wegen des 1. Weltkrieges (Einschmelzen von Münzen) rar geworden. Deshalb gaben Kaufhäuser, Fabriken und Gemeinden den Leuten statt der Kleingeldmünzen Gutscheine über z.B. 10 oder 20 Heller. Dieses Notgeld konnte bis zu einer bestimmten Frist in Papiergeld umgetauscht werden. Die ersten Notgeldscheine waren meist sehr einfach gemacht: Auf einem kleinen Karton befand sich der Firmen (Gemeinde-) Stempel, der Wert des Gutscheins und eine Unterschrift.

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