EINE
KURZE GESCHICHTE DER ZEIT
... oder wie unsere Altvorderen wieder lebendig werden
Ein Streifzug durch die Sitzungsprotokolle der Gemeinderatssitzungen
des Jahres l 920
Sven Anton Müller Schön langsam wurden auch die Nachwirkungen
des Ersten Weltkrieges beseitigt:
"
..
Uiber Antrag des geschäftsführenden Gemeinderate Anton
Indinger wegen Beschaffung von Kirchenglocken wird beschlossen, daß den
beiden geschäftsführenden Gemeinderäten der Gemeinden
Atzenbrugg und Trasdorf dies überlassen werde."
Ein sehr
großes
Projekt wurde in der Sitzung vom 6. April 1920 gestartet: Die Elektrifizierung
der Gemeinde!
Hiezu
beigezogen wurde der Vizebürgermeister der Gemeinde Würmla,
Eduard Bayer.
„Herr Bürgermeister Josef Rabacher begrüßt sodann
Herrn Eduard Bayer und erteilt denselben das Wort zur Aufklärung über
die projektierte Beleuchtungsanlage.
Auf Grund
seiner Ausführungen bringt der Bürgermeister ,folgende
Anträge zur Abtimmung:
1 .Beteiligt sich die Gemeinde überhaupt an dem Unternehmen mit
einstimmig ja.
2. Mit welchen Kapitalbetrage beteiligt sich die Gemeinde Atzenbrugg?
Vorgeschlagen 750.000 Kronen. Einstimmig ja.
Die Frage der Geldbeschaffung bleibt vorläufig in Schwebe.
Bei der
darauf folgenden Sitzung am 24. April 1920 wurde man bezüglich
der Finanzierung schon etwas konkreter:
„Als erster Punkt der Tagesordnung ist die Beschlußfassung über
die Aufnahme des Darlehens, für das Electrizitätswerk gemeinwirtschaftliche
Anstalt in Herzogenburg.
Nach längerer Debatte wird einstimmig beschlossen den Betrag von
750. 000 Kronen aufzunehmen. Als Gläubiger wird die Sparkasse
Atzenbrugg in Aussicht genommen.”
Auch ein paar ganz kuriose Punkte wurden bei dieser Sitzung beschlossen:
„Weiters wird einstimmig beschlossen den Wirtschaftsbesitzer Josef Bachinger
in Weinzirl noch vor dem 1. Sept. 1920 zu verhalten, daß er den
bei ihm stehenden Stier liefert."
Es dürfte sich hier um den Gemeindestier gehandelt haben.
„Weiters wird beschlossen und zwar mit 8 Stimmen, die Kirchenuhr
auf die alte Zeit zurückzustellen."
Die Gemeindeväter als Herren der Zeit - und das nicht einmal einstimmig!
Im Mittelpunkt
der Sitzung vom 21. März 1920 steht die Nahrungsmittelversorgung:
„Erster Punkt der Tagesordnung ist die Beschlußfassung über
die Aufbringung des Fleisches.
Uiber Antrag des Herrn Gemeinderat Peter wird beschlossen künftighin
beschlagnahmtes Fleisch mit 32 Kronen zu verkaufen.
Weiters
wird über Antrag des Gemeinderates Anton Indinger beschlossen,
daß der Fleischbeschauer künftighin bei jeder Schlachtung
von Einkaufspreis eine Provision von höchstens fünf Prozent
erhält."
Currende!
Die geehrten Mitglieder der Gemeinde Vertretung von Atzenbrugg werden
hiemit zu der am Samstag den 9. Oktober 1920 präcise 1/2 8 Uhr
abends in Herrn Alois Weidlingers Gasthaus zu Atzenbrugg stattfindenden
Gemeinderats - Sitzung eingeladen.
Tagesordnung
Endgiltige Beschlußfassung über die Vergebung des Ortsnetzes.
Gemeinde Vorstehung Atzenbrugg
am 7. Oktober 1920
Der Bürgermeister
Beispiel für eine Einladungskurrende in einer Gemeinderatssitzung,
die damals in Ermangelung eines Gemeindehauses in einem Gasthaus (dem
späteren Gasthaus Kögl in Atzenbrugg) stattfinden mußte.
Wichtigster
Punkt der Sitzung vom 29. Mai 1920 ist die Beschlußfassung über
die Herausgabe von Notgeld.
„Nach längerer Debatte wird mit neun gegen eine Stimme
beschlossen, Notgeld herauszugeben.
Ferner wird beschlossen, je 10.000 Stück zu 10, 20 und 50 Heller
herstellen zu lassen.
Zur Durchführung werden die Herren Josef Rabacher, Anton Indinger,
Anton Uchatius, Josef Grill, und Leopold Schoderböck in den Unterausschuß gewählt.
Dem Ansuchen des Oberlehrer Wilhelm Peter wird dahin Folge gegeben,
daß mit 9 gegen 1 Stimme beschlossen wird anläßlich
des Fronleichnamsfestes 100 K zu bewilligen.
Weiters wird beschlossen, öffentlich kundzumachen, daß Geflügel
nicht auf der Straße zu lassen ist, und daß Zuwiderhandelnde
im Sinne der Ortspolizeiordnung mit Ordnungsstrafen bis 50 Kronen belegt
werden"
Da machte sich wohl schon der beginnende Autoverkehr bemerkbar.
Und wieder einmal
ging es um den elektrischen Strom, und natürlich
wieder um die Finanzierung, hier in der Sitzung vom 9. August 1920.
“
... ist die Beschlußfassung über die weitere Aufnahme eines
Darlehens zur Herstellung des elektrischen Lichtes in der Gemeinde
Atzenbrugg.
Nach längerer Debatte wird beschlossen, neuerlich 600.000 Kronen
bei der Sparkasse zu Atzenbrugg aufzunehmen, da mit das Ortsnetz hergestellt
werden kann. Gegen den Antrag stimmt Herr Alois Gehringer und der Abstimmung
enthaltet sich Josef Engelhart.
Ferner wird ein Elektrizitäts Ausschuß gewählt und
zwar, für Atzenbrugg Herr Bürgermeister Josef Rabather und
Dr. Karl Lanz, Ebersdorf Alois Gehringer. Heil Eich Anton Indinger.
Moosbierbaum Leopold Schoderböck, Tautendorf Josef Grill und Weinzirl
Johann Haselmann.
Weiters wird beschlossen, daß der gewählte Ausschuß behufs
Abnahme von Licht bei den einzelnen Besitzern vorzusprechen hat. Diese
Anmeldung muß bis längstens 20. d. M. durchgeführt
sein."
Gemeinderäte als Stromkeiler - wer könnte sich das heuzutage
vorstellen?
Am 4. Oktober 1920 kam es dann endlich zur Vergabe des Ortsnetzbaues.
„Zu dieser Sitzung werden beigezogen die Herren Ingenieur Paul Schmidt
und Lautern letzterer in Vertretung der Firma Siemens - Schuckert.
Diese Herren erklären dem Gemeinderat die vorgelegten Projekte
wegen Ausbaues des elektrischen Ortsnetzes der Gemeinde Atzenbrugg.
Hierauf wird in deren Abwesenheit über die Vergebung des Ortsnetzbaues
beraten und über Antrag des Bürgermeisters Josef Rabacher
einstimmig beschlossen, den Ausbau des Ortsnetzes der Firma Siemens
- Schuckert zu übertragen, jedoch untergewissen Vorsichten insbesondere
unter der Bedingung, daß die Materialbeschaffung binnen kürzester
Frist nach Leistung der Anzahlung erfolgen müsse und daß die
Gesammtkosten einschließlich sämmtlicher Zweitanschlüsse
eine Million Kronen nicht übersteigen dürfen."
Sie waren ja doch sehr mißtrauisch, unsere Gemeindeoberen!
Geldnot - Notgeld
In den Jahren 1920 und 1921 wurden in vielen Gemeinden Österreichs
eigene Geldscheine herausgegeben, auch in hier in Atzenbrugg, solche
Scheine werden „Notgeld" genannt.
An und für sich wurde damals Notgeld herausgegeben, weil es keine
oder sehr wenige Metallmünzen gab. Diese waren wegen des 1. Weltkrieges
(Einschmelzen von Münzen) rar geworden. Deshalb gaben Kaufhäuser,
Fabriken und Gemeinden den Leuten statt der Kleingeldmünzen Gutscheine über
z.B. 10 oder 20 Heller. Dieses Notgeld konnte bis zu einer bestimmten
Frist in Papiergeld umgetauscht werden. Die ersten Notgeldscheine waren
meist sehr einfach gemacht: Auf einem kleinen Karton befand sich der
Firmen (Gemeinde-) Stempel, der Wert des Gutscheins und eine Unterschrift.
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