Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 6 • Ausgabe 17 • August 2004

 

Lebensgeschichten Wilhelm Lehrner (1920-2002)

Lebensgeschichten
Im fünften Teil unserer Serie wollen wir Ihnen den kurzen Lebenslauf eines Mannes präsentieren, der durch seine ruhige, bescheidene und hilfsbereite Art in der Erinnerung seiner Mitbürger bleiben wird, Herrn

Wilhelm Lehrner (1920 - 2002)

Unser Vater wurde am 9. Mai 1920 als jüngster Sohn (seine älteren Brüder waren Eduard und Anton) des Uhrmachermeisters Eduard Lehrner und dessen Frau Maria in Königstetten geboren. Bereits mit zwei Jahren musste er erleben, wie hart das Leben manchmal sein kann, als seine Mutter starb. Im Jahr 1922 heiratete sein Vater wieder und 1924 vervollständigte seine Schwester Anna (Anna Matyus, Heiligeneich) das Geschwisterquartett.

Er wuchs in einer Zeit auf, die von Not und finanziellen Sorgen geprägt war und erlernte von seinem Vater das Uhrmacher- und von seinem Cousin (Kino-Lehrner in Zwentendorf) das Mechanikerhandwerk.

1928 zog seine Familie von Königstetten nach Heiligeneich.
1941 musste er so wie so viele andere in den unseligen Krieg ziehen. Als Bodenfunker blieben ihm jedoch harte Fronteinsätze erspart. Nach Einsätzen in Russland wurde er nach Deutschland verlegt, wo er in amerikanische Gefangenschaft geriet. Die Geschichte, wie er mit dem Erdäpfelwagen aus dem Lager floh und von der Lüneburger Heide hunderte Kilometer zu Fuß bis nach Brilon bei Dortmund ging, ist uns in lebhafter Erinnerung geblieben.

Nachdem er sich eine Zeitlang in Deutschland aufgehalten hatte (die deutschen Mädels konnten ihn zu unserem Glück nicht an sich binden) kehrte unser Vater 1946 nach Hause zurück. Hier lief ihm seine Jugendliebe Franziska Stiassny aus Atzenbrugg über den Weg und noch im selben Jahr wurde geheiratet.

Die folgenden Jahre waren geprägt von schwerer Arbeit, Geschäftsaufbau und Famili-engründung. 1949 kam Sohn Willi zur Welt, im Jahre 1953 übersiedelte die kleine Familie von Atzenbrugg nach Heiligeneich, 1954 wurde Elisabeth und 1962 Walter geboren.

Unsere Kinder- und Jugendzeit war erfüllt von der Wärme und Geborgenheit unseres Elternhauses. Wir hatten nie viel Geld, da das meiste in unsere kleine Mechani-kerwerkstätte investiert wurde. Dafür waren unsere Eltern immer für uns da und die Sonntagsausflüge und die Spieleabende gehören zu unseren schönsten Kindheitserinnerungen. Es gab aber ein paar einfache Regeln zu befolgen: „Grüßen, Folgen und zu deiner Zeit zu Hause sein“, ansonsten durften wir jeden Unsinn anstellen. Die Eckpfeiler unserer Erziehung waren Hilfsbereitschaft, Toleranz und miteinander Reden.

Papa hatte immer einen guten Spruch auf Lager. Sein Lieblingsspruch war: „Selten ein Nachteil, wo es nicht auch einen Vorteil gibt.“

Die Idylle unseres Heimes wurde nur einmal gestört, als im Jahr 1972 unser Bruder Willi bei einem tragischen Autounfall sein Leben verlor.

Zusätzlich zu seinem Fahrrad- und Mopedgeschäft vervollständigten noch ein Mineralölhandel, eine kleine Tankstelle, ein Fotohandel und der Postdienst seine kaufmännischen Aktivitäten. (Postdienst bedeutete, jeden Tag die Post vom 8-Uhr-Zug mit dem Auto abholen und zum Postamt Heiligeneich bringen, das Foto auf Seite 15 / Dorfblatt´l Dezember 2003 ist bei dieser Tätigkeit entstanden).

Vater war aber auch innovativ: Er organisierte einen Dieselzubringerdienst für unsere Bauern. Wer kann sich noch an die gelben Kanister erinnern, die, wenn sie leer waren, von den Landwirten vor das Haus gestellt wurden und von ihm gegen volle ausgetauscht wurden?

Außerdem war unser Vater noch Mitglied der Feuerwehr Heiligeneich, Mitglied und Fahrer des Roten Kreuzes in Heiligeneich, Pfarrkirchenrat, Mitglied im Kameradschaftsbund sowie Fahrer bei „Essen auf Rädern“.

Langweilig war ihm Zeit seines Lebens sicher nicht.

Im Jahr 1986 ging er in Pension. Fortan widmete er sich ohne Zeitdruck seinen Lieblingsbeschäftigungen: der Familie (welche sich um den Schwiegersohn Manfred Diemt und Enkelkinder Helga und Christian erweiterte), sowie Reisen und Fotografieren.
Am Wohlsten fühlte er sich aber in seiner kleinen Werkstätte, wo er sich bis zu seinem letzten Lebenstag um das Wohlergehen seiner fahrradfahrenden Mitbürger bemühte. (Das Zentrieren eines Laufrades beherrschte keiner so wie er, und es wird für mich wohl immer ein Rätsel bleiben, mit wie wenigen Handgriffen es Herr Lehrner verstand, meine Räder wieder rund laufen zu lassen! Anm. des Schreibers.)

Unser Vater war in seinem ganzen Leben nur ein einziges Mal krank, 1986 bekam er einen Herzschrittmacher.

Am 11. April 2002 schloss er für immer seine Augen, um in einer anderen Welt auf uns zu warten.

(Aufgezeichnet von seinen Kindern Elisabeth Diemt und Walter Lehrner, geschrieben von Anton Müllner)