Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 6 • Ausgabe 16 • April 2004

 

Nachkriegskindheit

Dies ist ein Brief an alle jene, die ihre Kindheit noch in der guten alten Zeit verbracht haben.

Wer nach 1970 geboren ist, wird sich wundern - wir Nachkriegskinder wurden nicht in Watte gepackt!

Rückblickend ist es kaum zu glauben, dass wir überhaupt so lange überleben konnten!

Als Kinder saßen wir in Autos ohne Sicherheitsgurte und ohne Airbags.

Türen und Schränke waren eine ständige Bedrohung für unsere kleinen Finger.

Auf dem Fahrrad trugen wir nie einen Helm.

Wir tranken Wasser aus Wasserhähnen und nicht Mineralwasser aus Plastikflaschen.

Wir bauten fahrbare Untersätze aus Holz und entdeckten während der ersten Fahrt den Hang hinunter, dass wir auf die Bremsen vergessen hatten. Damit kamen wir aber nach einigen Unfällen klar.

Wir verließen morgens das Haus zum Spielen, blieben den ganzen Tag weg und mussten erst zu Hause sein, wenn die Straßenlaternen angingen. Niemand wusste, wo wir waren und wir hatten nicht einmal ein Handy dabei!

Wir haben uns geschnitten, brachen uns Knochen und Zähne und niemand wurde deswegen verklagt. Es waren einfach Unfälle, niemand hatte Schuld außer wir selbst. Keiner fragte nach „Aufsichtspflicht“. Wir rauften und schlugen einander manchmal grün und blau. Damit mussten wir leben, denn es interessierte die Erwachsenen einfach nicht.

Wir aßen Schmalzbrote, Grammeln und Speck und wurden trotzdem nicht zu dick.

Wir tranken mit unseren Freunden aus einer Flasche und niemand starb an den Folgen.

Wir hatten nicht: Playstation, Nintendo, Videospiele, hundert Fernsehkanäle, Filme auf Video, Computer oder Internetchatrooms.

Wir hatten Freunde.

Wir gingen einfach ins Freie und trafen sie auf der Straße.
Oder wir marschierten einfach zu ihnen ins Haus. Ohne Termin und ohne Wissen unserer gegenseitigen Eltern. Keiner brachte uns hin und keiner holte uns ab. Wie war das nur möglich?

Wir dachten uns Spiele aus mit Holzstecken und altem Glumpert. Außerdem aßen wir Würmer. Und die Prophezeiungen der Erwachsenen trafen nicht ein: Die Würmer lebten nicht in unseren Mägen weiter und mit den Stecken stachen wir uns nicht die Augen aus.

Beim Straßenfußball durfte nur mitmachen, wer gut war. Wer nicht gut war, musste lernen, mit Enttäuschungen fertig zu werden oder wurde „Ballschani“. Siehe da - auch ohne Trainer lernten wir den Ball zu stoppen!

Manche Schüler waren nicht so gescheit wie andere. Sie fielen durch Prüfungen, wiederholten Klassen - sie blieben „sitzen“. Das führte nicht zu emotionalen Elternabenden oder gar zur Forderung „Schafft die Noten ab!“

Unsere Taten hatten Konsequenzen. Wenn einer von uns gegen das Gesetz verstoßen hatte, war klar, dass die Eltern ihm nicht aus dem Schlamassel heraushalfen. Im Gegenteil: Sie waren der gleichen Meinung wie die Gendarmerie! Na, so was!

Es gab noch keine künstlich errichtete Spielplätze und Sandkisten, die Kinder und auch Hunde benutzten - wir spielten in den Sandhaufen der Bauarbeiter, die natürlich darüber nicht sehr erfreut waren, wenn wir diese durch „unsere“ Tunnels und Strassen zerstörten.

Fast jeder dazu geeignete Hang wurde zum Schi- und Rodelfahren genützt, es gab noch keine Abzäunungen und Rodelverbote durch egoistische Grundbesitzer, außerdem konnten wir unsere Schlitten von zu Hause über die schneebedeckten Gehsteige zum Berg ziehen - heutzutage unmöglich, da jede einzelne Schneeflocke mit Streusalz bekämpft wird und die Gehsteige meist besenrein leergefegt werden.

Unser Schulweg war ein einziges Abenteuer - wir mussten ihn noch zu Fuß oder per Fahrrad bewältigen. Die heutigen Kinder wissen gar nicht, was ihnen dadurch entgeht und erst recht nicht deren Mütter! Diese glauben, ihren Sprösslingen etwas Gutes zu tun, wenn sie sie mit dem Auto durch die Gegend karren und dafür aber mehr Turnstunden verlangen!

Wir mussten uns noch nicht dem heute herrschenden Mode- und Mediendiktat unterwerfen.

Unsere Generation brachte noch sehr viele eigenständig und praktisch denkende Menschen hervor.

Gehörst auch Du dazu?

Ferdinand Rieder u. Anton Müllner