Adolf
Hitlers Waffenkammer oder
Trasdorf - die Wiege der Raumfahrt?
Verfasst von Vizeleutnant Josef GOLDBERGER, Obmann-Stellvertreter
der „Moosbierbaumer Heimatkundlichen Runde“ nach Schriften
des
Herrn Siegfried SELLE, vormals stellv. Dienststellenleiter des A4/V2 Heimatlagers „ISABELLA“,
Oberfeuerwerker und Sprengmeister,
später Vizeleutnant des technischen Dienstes beim öBH/HMatA Wien,
verstorben im Jahre 1997.
Folge 4
Vor dem Rückzug
Mit Beginn der letzten Märzwoche 1945 wurden alle Vorbereitungen getroffen,
das Lager oder was davon noch übrig war, zu sprengen. Es waren, laut
Herrn Selle, nur noch dreißig, zum Teil verwundete Männer übrig.
Es galt folgendes zu vernichten:
Sämtliche Gleis- und Weichenanlagen,
Vierzig Waggons,
20 Munitionsbunker (teilweise noch mit russischer PAK-Munition belegt),
12 Lagerhäuser (darin ca. 10.000 Paar Bergschuhe, 10.000 Paar Schi,
1000 Finnen-Akja, 10 Waggonladungen Schuhleder, eine große Menge
Papierwaren und vieles mehr)
Die Sprengung
erfolgte am 7. April 1945 um sechs Uhr abends. Zwei Stunden vorher konnten
sich, laut Hrn. Selle, die Trasdorfer noch mit Brauchbarem
eindecken. Zeitzeuge Josef Fitz, Jahrgang 1930, hingegen erzählt,
dass die Leute erst nach der Sprengung nach Verwertbarem suchen konnten
und auch einiges fanden. Der Großteil der vielfältigen Bekleidungsgegenstände
war jedoch unbrauchbar oder wurde ein Raub der Flammen.
Eine weitere Ungereimtheit:
Herr Handelsberger berichtet, dass die Sprengung der Lagerreste durch
die Waffen-SS erfolgt sei. Dem widersprechen sowohl Hr. Selle als auch
der
Zeitzeuge Josef Fitz: „Die Sprengungen sind durch die letzten
Lagermannschaften selbst durchgeführt worden.“
Man fand auch
eine Glocke. Offensichtlich wurde diese aus dem Osten zum Einschmelzen
nach Hause verfrachtet. Es kam aber nicht dazu,
sie wurde
hier wahrscheinlich als Lagerglocke verwendet. Aus dem Osten? Ja,
denn sie trägt zyrillische Lettern und das Bild des heiligen
Nikolaus. Wer die Glocke aufbewahrt hat, wissen wir nicht. Sie
wurde vorerst in
der Pfarrkirche von Heiligeneich montiert, wo sie am 2. Dezember
1945 erstmals läutete.
Am 27. Juni
1948 wurde genau diese Glocke in der wiederhergestellten Dorfkapelle
in Tautendorf eingeweiht. Bis heute dient sie den Tautendorfern
als Gebetsglocke.
(Aus dem Buch „Zeugen des Glaubens aus Holz und Stein“ von
Alfred Fröhlich und Rudolf Reither).
 Im Zuge der Recherchen konnten mir einige Zeitzeugen ein paar Erinnerungen
erzählen:
Bei dem Großangriff am 7. Februar 1945 flüchtete die Familie
Primer aus Trasdorf in ihren Erdkeller in der Erdpreß. Frau Anna
Otzlberger, geb. Primer (Jg. 1931), Kremserstr. 45, erzählt:
„
Wir waren 11 oder 12 Leute, Vater Leopold und Mutter Anna, Schwester
Leopoldine (heute Frau Kronawetter), Josef Primer (Bruder des Leopold),
Frau Maria
Sappert, Frau Hösl, ein polnischer Fremdarbeiter und noch
ein paar Leute, aber die Erinnerung fehlt. An diesem Tag traf
eine Bombe genau unseren
Keller. Wir waren verschüttet und konnten erst nach einiger
Zeit durch eigenes Graben und durch Hilfe von Außen befreit
werden. Es war schrecklich. Frau Hösl und der Pole waren
tot. Mein Vater und Onkel Josef waren schwer verletzt. Die beiden
wurden ins Haus gebracht und versorgt. Es dauerte
Stunden, bis endlich ein Rettungswagen die beiden nach St. Pölten
ins Spital bringen konnte.“
 Die Greißlerei Reisner wurde durch eine Bombe total zerstört.Opfer
gab es dabei keine, die Familie war in einem Keller.
Am Anfang der
heutigen Fabriksstraße schlug eine Bombe ein und richtete
schwere Schäden an: beim Ferdinand Doppler, heute Fam.
Altmann, wurden Haus und Einfahrt so getroffen, dass eine
Menge Schutt vermischt mit Getreide
auch im Hof der Nachbarn, Fam. Lust, zu liegen kam; der Familie
Hasenzagl (heute Ferdinand Mandl) wurde der Stadel und ein
Schuppen schwer beschädigt,
die Binderwerkstätte Hinterleitner und deren Wohnhaus
ebenso. Das Haus der Familie Munsch wurde von einer anderen
Bombe total zerstört.
Herr Josef Muck kam im Steingraben durch eine Bombe um.
In der Bahnstraße, wo heute das Feuerwehrhaus steht, gab es ein Gefängnis.
Hier befanden sich etwa 20 Gefangene, hauptsächlich Ausländer.
Diese wurden den Bauern als Ersatzarbeiter zur Verfügung gestellt,
um die an die Front Eingezogenen wenigstens teilweise zu ersetzen. Morgens
ging die Wache mit den Männern durch das Dorf und verteilte sie an
jene Häuser, die gerade Kräfte brauchten. Diese Arbeiter waren
meist fleißig und zuverlässig, außerdem war bei den Bauern
die Kost meist besser und reichlicher. Am Abend sammelte die Wache die
Männer wieder ein und nahm sie in Gewahrsam.
In die Lehmwände
des Scheuerweges wurden annähernd 30 Höhlen
gegraben, in denen die Gefangenen aus dem Lager, welches
sich auf der rechten Seite von der Dürnrohrerstraße befand,
bei Bombenangriffen sicher untergebracht wurden.
Die Erdhöhlen
im Steingraben standen nur dem Lagerpersonal als Luftschutzunterstand
zur Verfügung. Sie wurden auch als Lagerräume
genutzt.
Die Munitionssichtungsstelle
Sitzenberg-Reidling
Obwohl die beiden Einrichtungen in der Katastralgemeinde Trasdorf lagen,
ist die Munitionssichtungsstelle nach jenem Bahnhof benannt, von dem das
Zubringergeleise geführt wurde, und das war eben Sitzenberg-Reidling.
Dieses wurde vom östlichen Bahnhofskopf in Sitzenberg Richtung Trasdorf
verlegt und lag nördlich des Hauptgeleises auf einem tieferen Niveau.
 Der Betrieb
von solchen Sichtungsstellen war deshalb notwendig, da man verschossene
Kartuschenhülsen dringend als Rohstoff brauchte und Munitionskisten
in den Fabriken nicht immer neu hergestellt werden konnten. Außerdem
mussten beschädigte Geräte zur Instandsetzung gebracht oder,
so sie unbrauchbar waren, als Schrott wiederverwertet werden.
Zu einem gewissen Teil geschah dies auch mit erbeuteten Waffen, Geräten
und Munition. Ein ganz gutes Beispiel dafür war die russische MP-41,
die sich im Kampf ihrem deutschen Pendant, der MP-40 gegenüber als wesentlich
verlässlicher erwies. Aber auch Beute-PAK (Panzerabwehrkanonen) wurden
von den Deutschen erfolgreich eingesetzt.
Es wurden also erbeutete Waffen und Munition, wenn sie von der Truppe
nicht gleich eingesetzt wurden, mit der Eisenbahn ins Hinterland gebracht,
um
in Mun-Sichtungsstellen sortiert, verpackt, zum Teil gelagert und später
an die Bedarfsträger wieder ausgeliefert zu werden.
Und angeliefert wurde eine ganze Menge. Täglich trafen bis zu 60 Eisenbahnwaggon
mit Material ein und wurden natürlich verarbeitet. Die etwa dreißig
Waggon Altmetall (Schrott) täglich wurden schnellstens in Schmelzöfen
abgefahren.
Unbrauchbare Munition wurde täglich gesprengt.
Für all diese Arbeiten standen Gefangene aus dem Lager gegenüber
der Straße zur Verfügung. Der Betrieb gestaltete sich äußerst
schwierig, da die Angehörigen des deutschen Strafbataillons aus allen
Nationen Europas stammten und auch die Russen selbst verschiedene Dialekte
sprachen.
Täglich mussten zwei Dolmetscher in fast einem Dutzend Sprachen alle
Anweisungen und Verbote laut bekannt geben. Zweimal täglich unterzog
man alle Gefangenen einer Leibesvisitation um Diebstähle zu verhinden.

57 Jahre nach der Auflösung des Lagers, am 2. 5. 2002, zeigt diese
Luftaufnahme schon ein völlig verändertes Bild. Das Ackerland
wurde durch die Kommassierung 1962 total verändert. Im Bild rechts
oben ist der neue Trasdorfer Ortsteil Föhrensee zu erkennen. Links
daneben, dort wo einst das Gefangenenlager war, ist jetzt die Fa. Rauch
angesiedelt. Schräg rechts darunter der Badeteich und das Gemeindesammelzentrum
befinden sich schon direkt im einstigen Lagerbereich. Dort, wo auf der
Aufnahme von 1955 noch die fischgrätförmigen Fundamente des V2-Lagers
zu sehen waren, befindet sich heute das Umspannwerk und zwischen diesem
und dem Badesee ist das Baurestmassenlager zu sehen. In der linken oberen
Ecke ist der neue Golfplatz zu erkennen. Der Ort links in der Bildmitte
ist Dürnrohr. Nur mehr die hellen Flecken zeugen von den Bombentrichtern. Wird
fortgesetzt.
|