Moosbierbaumer
Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
|
|
LebensgeschichtenIm vierten Teil unserer Serie stellen wir Ihnen, liebe Leser, eine Frau vor, deren Geschichte es wert ist, der Nachwelt erhalten zu werden. Sie steht stellvertretend für viele Frauenschicksale in den harten und entbehrungsreichen Zeiten des vorigen Jahrhunderts. Maria Schimann (1906 - 2000) Im Jahre 1906 wurde der Maria Hagmann eine Tochter geboren - die kleine Maria. Es war noch eine friedliche Zeit, jedoch sehr schwer für die junge Mutter. Ihr Mann verstarb, als das Kind zwei Jahre alt war. Um ihr eigenes Fortkommen als Dienstmagd zu sichern, musste Frau Hagmann ihre kleine Tochter ins Waldviertel zu Pflegeeltern geben - sie wurde ein sogenanntes Kostkind. Das war ein damals durchaus üblicher Vorgang! Sechs Jahre verbrachte die Kleine in der Fremde - so lange, bis ihre Mutter wieder heiratete. Und nun wollte das Mädchen nicht mehr zurück!
Aufgewachsen mit einer Schar anderer „Geschwister“, die Ziehmutter als richtige Mutter sehend, die leibliche Mutter eine Fremde! Die kleine Maria flüchtete in den Wald, um sich nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen zu lassen. Ein Gutshof im Weinviertel wurde ihre neue Heimat. Hier fanden ihre Eltern für die nächsten Jahre Arbeit. Ihr Stiefvater Franz Gottlieb behandelte sie wie ein eigenes Kind. Dann kam die Zeit des Weltkrieges, den erst spätere Generationen den „Ersten“ nannten. Das Militär brauchte dringend Sprengstoff und Munition. Die Fabriken im Steinfeld waren schon bald am Ende ihrer Kapazität. In der Nähe von Moosbierbaum wurde eine neue Pulverfabrik geplant und ab 1917 auch errichtet. Nach dem Ende des Krieges wurde jedoch die Munitionserzeugung verboten. Es wurde nach Alternativen gesucht und alles mögliche hergestellt. Auch ein Wirtschaftsbetrieb mit Kühen, Schweinen und Pferden wurde geschaffen. Diese sogenannte „Ökonomie“ befand sich dort, wo das ehemalige Lagerhaus stand. Und hier fand die Familie Gottlieb eine Anstellung. Auf Anraten von Verwalter Schaffer lernte die junge Maria melken - widerstrebend, aber der Verwalter bestand darauf! „Ohne Melken keine Arbeit“, sagte er, und wirklich fand sie dann als Melkerin Anstellung im Betrieb. Wie froh war sie später über diese Fertigkeit, denn ab 1927 verdingte sie sich beim Bauern Fidler in Rust.
So vergingen die Jahre, und Ende der Zwanziger begegnete die junge Maria der Liebe ihres Lebens, ihrem späteren Mann Leopold Schimann. Dieser stammte aus Weyerburg in der Nähe von Hollabrunn und zog als Maurersbursch übers Land. Die jungen Leute waren sich bald einig und Sohn Leopold wurde 1930 geboren. Man zog nach Atzenbrugg. Ihr Ehemann arbeitete als Maurer, während sie selbst mit kleinen Arbeiten dazuverdiente.
1932 zog die Familie dann ins Kotounhaus nach Moosbierbaum. In den folgenden Jahren begann eine harte Zeit. Leopold Schimann wurde wie so viele andere auch arbeitslos, seine Gattin hielt die Familie mit verschiedenen Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Sie machte u. a. beim Fleischer Haidegger in Heiligeneich und beim Kaufmann Max Kolb in Michelndorf die Bedienung und arbeitete nebenbei beim Bauern Michael Burger in Moosbierbaum. Derweil begann ihr Mann ein Eigenheim zu bauen (als Arbeitsloser!).
Ziegel für
Ziegel holte er mit dem Fahrrad aus Streithofen - und diese musste er auch noch
vorher abputzen! Auch Sohn Leopold musste schon als Schüler Geld dazuverdienen . Die Seilerei Indinger aus Heiligeneich vergab Heimarbeit. „Garbenbandlknüpfen“ war die Arbeit, die auch Kinder machen konnten! Hiebei mussten an den Enden von Hanfschnüren Knoten geknüpft und dazwischen ein Holzplättchen aufgefädelt werden, und damit war auch etwas Geld zu verdienen. 1939 begann dann das zweite große Völkermorden in diesem Jahrhundert, und es kam, wie es kommen musste - der Familienvater wurde einberufen, kurz nachdem sein zweiter Sohn Josef das Licht der Welt erblickt hatte! Zuerst ging es nach Holland, dann an die Ostfront. An einem der wenigen Heimaturlaube des Vaters fragte einmal der kleine Josef seine Mutter: „Mama, wer ist der fremde Soldat in unserem Haus?“
Fast den ganzen Krieg überstand Leopold Schimann unbeschadet. Kurz vor Ende ereilte ihn doch sein Schicksal . In den letzten Kriegstagen in der Tschechoslowakei verlor er durch einen Granattreffer seinen linken Arm! Auch seine Familie litt unter den Kriegsereignissen. Wegen Blindgängergefahr mussten sie das letzte Kriegsjahr ihr neues Haus verlassen und im Bauernhof Reither Quartier nehmen. Frau Schimann half am Bauernhof tatkräftig mit. Es wird berichtet, dass sie anstelle von zwei Pferden einen 1.000 kg schweren Sprungstier einspannte und auch führte! Als er aus dem Krieg zurückkehrte, war ihr Mann nicht nur physisch, sondern auch psychisch schwer geschädigt. Die ersten Nachkriegsjahre lebte die Familie vom kargen Verdienst der Mutter als Taglöhnerin bei diversen Moosbierbaumer Bauern und vom Lehrlingsgeld ihres Sohnes Leopold, der zum Elektriker ausgebildet wurde. Erst 1947 bekam Vater Leopold Schimann eine Kriegsopferrente. Trotz seiner Behinderung half er bei vielen Leuten als Maurer. Der Chronist hat noch selber gesehen, wie dieser Mann mit einer Hand Ziegel hackte! Zeitzeugen sagen noch heute, dass er schneller als so mancher gesunde Maurer war. Ende der Fünfzigerjahre konnte die fleißige Familie auch noch einen kleinen Acker kaufen.
Sohn Leopold heiratete im Jahr 1951 Anna Mühl und zog von zuhause fort. Der Sohn Josef erlernte Fleischhauer und baute 1965 unter Mithilfe seines Vaters das Elternhaus neu. Zwei Kinder entsprossen der Ehe mit seiner Frau Dorothea. Ein schwerer Schicksalsschlag ereilte Frau Schimann im Jänner 1976 : Ihr Mann kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben! Trotz aller Höhen und Tiefen, die das Leben für sie bereit hielt, war diese Frau immer fröhlich, ging kerzengerade und brauchte auch als Neunzigjährige noch keine Brille! Einen Arzt brauchte sie erst in ihren letzten Lebensjahren. Frau Maria Schimann schloss am 2. 11. 2000 für immer die Augen. (Niedergeschrieben von Anton Müllner nach Unterlagen und Erzählungen der Familien Schimann und Reither) |