Moosbierbaumer
Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
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TOD
EINES WAHRZEICHENS Es war im Jahr 1956 als mich ein netter Bahnbediensteter, Herr Ferdinand Resch aus Moosbierbaum, auf dem Bahnhofsgelände in Moosbierbaum pflanzte. Da stand ich damals als zarte Jungpflanze und freute mich schon sehr darauf einmal ein hoher und breiter Baum zu werden. Das Schicksal meinte es aber anfänglich gar nicht gut mit mir, denn nach einiger Zeit schon wurde ich umgeknickt. Es ging alles so schnell, dass ich den Übeltäter gar nicht erkennen konnte. Über der Erde war nun nicht mehr viel zu sehen von mir, aber unter der Erde hatte ich in meinen jungen Wurzeln sehr viel Kraft. Ich begann erneut zu sprießen, diesmal jedoch gleich mit zwei starken Trieben. So wuchs ich im Lauf der Zeit zu einem stattlichen zweigeteilten Baum heran. Viele Winterzeiten, in denen ich mich tief unter die Erde zurückzog und nur die kahlen Stämme und Äste den eisig kalten Winterstürmen entgegenstreckte, erlebte ich. Viele Frühlingszeiten, in denen ich immer schon früh begann, mich aus meinem Versteck unter der Erde wieder in lichte Höhen zu begeben und erneut zu wachsen, erlebte ich. Viele heiße Sommerzeiten, in denen ich sehr oft nach Wasser lechzte und aufatmete, wenn mich mancher Gewittersturm schüttelte und ächzen ließ, um mich als Entgelt dafür mit einer mitgebrachten Gewitterwolke zu gießen, erlebte ich. Viele stimmungsvolle Herbstzeiten, in denen ich meine Blätter zuerst bunt färbte und dann still und leise in den Herbstnebeln auf die Erde gleiten ließ, erlebte ich. Vieles habe ich gehört und gesehen und könnte Bücher damit füllen, ich war aber immer ein sehr diskreter Baum. Vor 15 Jahren wollte man mir erstmalig mit der Säge an meinen Stamm, damals, als ich immer dicker wurde und den viel zu knapp an mir vorbeiführenden Kanalstrang gefährdete. Meine Wurzeln hätten ihn bereits undicht gemacht, hieß es. Ich glaube aber, dass auch der jährliche Flug meines Samens die Anrainer auf die Barrikaden rief. Zentimeter hoch lag mein wolliger Samen in Gärten und Häusern und war verantwortlich für manchen Unmut. Aber ich war schließlich zuerst hier und dann erst wurden die Häuser gebaut! Kaum jedoch war damals die Idee meines baldigen Dahinscheidens geboren worden regte sich schon Widerstand in der Ortsbevölkerung. Eine großangelegte Unterschriftenaktion dafür, dass man mich am Leben lassen sollte, wurde gestartet und aufgrund des nicht überhörbaren Protests gab das Gemeindeparlament klein bei und legte die Säge weg. Schnell war auch das ausschlaggebende Wort geboren, das mich da als "ortsbildprägend " klassifizierte und deshalb durfte ich weiterleben. Ja, das war damals und damals kam ich noch einmal mit dem Leben davon. Jahre kamen und Jahre gingen und ich wurde immer mächtiger, aber auch älter. Stürme tobten über das Land und ich bot ihnen wegen meiner Mächtigkeit große Angriffsflächen. So kam es, wie es kommen musste: plötzlich neigte sich der eine Teil meiner selbst gefährlich in Richtung viel befahrene Straße. Niemand wollte mehr die Verantwortung im Fall eines Unglücks übernehmen. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich, als eines Tages einige Herren erschienen, immer wieder zu mir hochsahen und sehr viel über mich redeten. Meine böse Vorausahnung bewahrheitete sich leider, denn am Dienstag, dem 11. April 2000, spürte ich urplötzlich den eiskalten Stahl der motorbetriebenen Kettensäge an mir. Laut kreischend und stinkend trennte sie zuerst meine Aste von meinem Stamm und schlussendlich wurde auch dieser noch abgeschnitten. Traurig, aber am nächsten Tag hatten die Baumfäller ihr Werk vollendet und da lag ich nun total verstümmelt auf der Erde, aus der ich mich in 44 Jahren so hoch emporgearbeitet hatte. Ja, so lange brauchte es, um mich zu einem riesigen Baum werden zu lassen und in einigen Stunden nur war ich gestorben. Aber, nicht traurig sein, voriges Jahr ahnte ich es bereits voraus und schickte eine riesige Menge meiner Flugsamen in die nächste Umgebung und ich bin mir sicher, dass bereits irgendwo in der Nähe manch ' zartes Stämmchen sich in die Höhe Richtung Sonne reckt. Wenn ihr es seht, lasst es bitte am Leben, denn das bin ich und ich will wieder genauso groß werden, wie ich einmal gewesen bin!
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