Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 1 • Ausgabe 2 • September 1999
 

EINE KURZE GESCHICHTE DER ZEIT

... oder wie unsere Altvordern wieder lebendig werden
von Anton Müllher

Gleich im ersten Protokoll, jenem von der Sitzung vom 13. April 1907, fand ich etwas, was die Behauptungen, wonach die Bürgermeister früher unentgeltlich arbeiteten, Lügen straft. Dazu wörtlich aus dem Protokoll:
"Herr Gemeinde Vorsteher Anton Rabather stellt den Antrag daß ihm das bisher bewilligte Gehalt von 700 Kronen auf 1000 Kronen erhöht werde, da der derzeit bewilligte Gehalt den Leistungen des Bürgermeisters in keinem Einklang steht. Nach Abtretung des Gemeinde Vorstehers und Uibernahme des Vorsitzes durch den Gemeinderat Herrn Heinrich Rabl wird beschlossen daß die Erhöhung von 700 Kronen auf 800 Kronen einzutreten habe."

Die Bauernschläue der damaligen Gemeinderäte wird auch durch den folgenden Satz dokumentiert:
"Weiters wird beschlossen, im Falle der Gemeinde Vorsteher verhindert und ein Gemeinderat an dessen Stelle zu intervenieren hat derselbe von Seiten des Gemeindevorstehers zu entschädigen ist."

Damit der Leser einen Begriff davon hat, wieviel 800 Kronen damals wert waren, hier ein Auszug aus dem Protokoll vom 26. Februar 1910:
"Dem Ansuchen des Gemeindedieners Carl Zischkin wird dahin erledigt, daß ihm monatlich 30 Kronen bewilligt dagegen wird das Monturpauschal eingestellt."

Man sieht daher, daß der damalige Bürgermeister mehr als das Doppelte seines Gemeindedieners verdiente! Sehr interessant nachzulesen ist, wie schwierig es damals war, ein Gewerbe anzumelden. Der Vorgang war so: Der Bewerber stellte bei der Bezirkshauptmannschaft einen Antrag und der Erlaß von dieser wurde dem Gemeinderat zur Genehmigung vorgelegt. Die Gemeinderäte hatten also des letzte Wort und somit die Möglichkeit, unliebsame Konkurrenz zu verhindern. Das typische Beispiel dafür fand ich in der Geschichte meines Gasthauses.

Im Jahre 1906 baute der Gastwirt Rudolf Wurlitzer aus Perschling neben dem Bahnhof in Moosbierbaum ein Gasthaus (Wurlitzer's Bruder war übrigens derjenige, der in den USA den berühmten Musikautomaten erfand). Im Protokoll von der Sitzung am 13. April 1907 fand sich folgender Eintrag:
"Der Vorsitzende bringt den Erlaß der Bezirkshauptmannschaft Tulln Zahl 969 vom 27. 3. 1907 betreffend des Ansuchens des Ferdinand Wurlitzer in Perschling um Erteilung der Gasthauskonzession auf das Haus Nr.57 in Moosbierbaum vollinhaltlich zur Kenntnis des versammelten Gemeinderates und eröffnet hiemit die Debatte.

Nach längerer Beratung wird dieses Ansuchen mangels Localbedarfes einstimmig abgewiesen."

Na klar, von den 15 Gemeinderäten waren vier Gastwirte, wovon einer, Josef Figl, in Moosbierbaum selbst ein Gasthaus betrieb. Nun blieb Wurlitzer natürlich auch nicht untätig und suchte im Namen seiner Frau noch einmal um Konzessionserteilung an. Dieses Ansuchen wurde in der Sitzung vom 24. März 1909 ebenfalls mit der Begründung "Mangelnder Lokalbedarf" abgewiesen.

Über das dritte Ansuchen wurde am 11. Juni 1910 debattiert:
"... Der Localbedarf ist nach wie vor nicht vorhanden da die Verhältnisse sich in der kurzen Zeit sich nicht geändert haben. Die Betriebsstätte ist vollkommen geeignet, die polizeiliche Uiberwachung eine leichte, Wasser von Hausbrunnen jedoch als Trinkwasser nicht geeignet. Bittsteller der in letzter Zeit Unglück durch Brand und Wasserschaden erlitten wäre allerdings berücksichtigungswürdig. Der Frage des Localbedarfs wird einstimmig verneint, die Frage der Betriebsstätte und die polizeiliche Uiberwachung sowie die Berücksichtigungswürdigkeit der Person wird einstimmig bejaht."

Da entdeckten sie sogar ihre soziale Ader, die Herren Gemeinderäte! Jeder arme Schlucker wäre zum Zug gekommen, nur den reichen Wurlitzer aus Perschling, nein, den brauchen wir nicht!

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