Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 7 • Ausgabe 19 • April 2005

 

Die Flakstellung am Schusterberg

Folge 2

von Vzlt. Josef Goldberger

Die Verstärkung

Die Kanonen der Verstär-kungseinheiten hatten alle Kaliber 8,8 cm und waren teilweise Beutegeschütze französischer und russischer Bauart. Diese hatten ursprünglich Kaliber 8,5 cm, wurden aber von den Deutschen auf 8,8 cm aufgebohrt, um die eigene Munition verschießen zu können. Die modifizierten Rohre hatten aber bei weitem nicht die Zuverlässigkeit der deutschen Rohre, es kam vermehrt zu „Rohrkrepierern“.

Tatsächlich konnte man beim ersten Angriff auf Moosbierbaum den Feinden schwere Verluste zufügen. Man konnte das Überraschungsmoment nützen, da den Alliierten die Umgruppierungen der Flak noch nicht bekannt waren. Wohl auch deshalb wählte die 15. USAAF eine verhältnismäßig geringe Flughöhe von unter 5.000 Metern, einzelne Rotten flogen gar nur in 2.600 Metern Höhe. Zwar können bei diesen Flughöhen die Bomben genauer abgeworfen werden, andererseits hat die Flak aber eine erheblich höhere Treffergenauigkeit.

Flak-Schutz Mitte 1944

Bis Mitte Juli 1944 wurden noch weitere Flak-Einheiten aus dem Südwesten und dem Norden Deutschlands, aber auch aus dem Raum Fischamend und Wr. Neustadt herangekarrt. Die bereits installierten Batterien wurden abermals umgruppiert. Der so errichtete Flak-Schutz für Moosbierbaums Werke umfasste somit nördlich der Donau 24 Rohre Kaliber 8,8 cm bei Frauendorf an der Au und 16 Rohre Kaliber 8,8 cm bei Neuaigen.

Südlich der Donau standen 18 Rohre 10,5 cm bei Oberbierbaum, 24 Rohre 8,8 cm bei Michelhausen, 16 Rohre 8,8 cm am Schusterberg, 18 Rohre 10,5 cm bei Asparn und 4 Rohre 12,8 cm Eisenbahn-Flak bei Judenau.

Das waren insgesamt 120 Flakrohre, die auf die Angreifer warteten.

Bei diesen Umgruppierungen und Übersiedlungsaktionen setzte man meist ältere, erfahrene Soldaten ein, um die neuen Stellungen möglichst effizient ausbauen zu können, aber schon bald danach wurden diese Männer teilweise durch Luftwaffenhelfer ersetzt, um die Erfahrenen für neue Aufgaben zur Verfügung zu haben.

Die Geschütze der Eisenbahn-Flak wurden vom Sommer 1944 fallweise auch in der Höhe von Heiligeneich abgefeuert. Eisenbahn-Flak bei Heiligeneich?? wird so mancher fragen. Ja!

Man hatte einen Gleisstrang vom Stellwerk des Bahnhofes Moosbierbaum bis ans Südende von Heiligeneich verlegt. Dort sollte ein großes Umspannwerk gebaut werden, es wurde aber nie fertiggestellt. Baumaterial, Geräte, Transformatoren und dergleichen sollten über diesen Bahnanschluss transportiert werden. Die Überreste dieses Bauwerkes wurden erst beim Abbruch des alten Kindergartens 1995 abgerissen. Das waren die hohen, undefinierbaren Mauern direkt neben der heutigen St. Pöltner-Straße am Ortsende von Heiligeneich. Vom Stellwerk Moosbierbaum nach Süden erkennt man noch heute den damaligen Bahndamm. Die Anhöhe wurde mittels eines Durchstiches überwunden. Der wird heute noch als Feldweg verwendet. In weiterer Folge verlief das Gleis neben dem Friedhof und der heutigen Siedlung von Heiligeneich weiter nach Westen bis zur Baustelle des Umspannwerkes.

Wenn dieses Gleis nicht anders benötigt wurde, holte man die Eisenbahn-Flak von Juden-au hierher und feuerte von Heiligeneich aus die 12,8 cm Geschütze ab. Die Lärmbelästigung dieser Monsterkanonen für die Bevölkerung war enorm, schossen doch gleichzeitig auch die 16 Geschütze Kaliber 8,8 cm auf dem Schusterberg. Zwei Tage, nachdem im Frühjahr 1945 diese Eisenbahn-Flak abgezogen wurde, erhielt genau diese Gleisanlage bei einem Angriff einige schwere Treffer.

Die Buben

Bis Juni 1944 hatte man schon ca. 56.000 „Flak-Pimpfe“ zu den Waffen gerufen. Diese Bezeichnung bekamen die Buben von den „alten Hasen“, die richtigerweise der Meinung waren, dass man mit Kindern keinen Krieg führen sollte. Trotzdem erwiesen sich die Jungen als perfekte Geschützführer und -bediener.

Egal, ob die Luftwaffenhelfer „Führer, Volk und Vaterland“ retten wollten oder ob es eine Art sportlicher Ehrgeiz war, die Flak-Buben erreichten eine Fertigkeit und Schnelligkeit beim Bedienen der Geschütze, dass den alten, eingefleischten Luftwaffenmännern Hören und Sehen verging.

Viele von den Luftwaffenhelfern waren sehr wohl durch die Propagandamaschinerie des Joseph Goebbels, durch die Schulungen in der Hitlerjugend, durch die Schule und wohl auch teilweise durch die Erziehung im Elternhaus soweit manipuliert, dass sie den „frechen Eindringlingen“ eine Lehre erteilen wollten. Aber ein gar nicht so kleiner Teil war sich vollkommen bewusst, dass dieser Einsatz den Untergang nicht wird aufhalten können. Das geht aus den Briefen der Jungen an deren Familien eindeutig hervor.

Leopold BANNY schrieb in seinem Buch „DRÖHNENDER HIMMEL, BRENNENDES LAND“: „Ab Februar 1945 erschienen die amerikanischen Bomber fast täglich über dem Wiener Raum und steigerten die Luftangriffe zu einer alles demoralisierenden Intensität. Auch in den Flak-Stellungen erwartete man das baldige Ende des militärischen Ringens: Die Luftwaffenhelfer wurden bis auf eine geringe Zahl von Spezialisten im Februar und im März 1945 nach Hause entlassen, wo sie meist umgehend die Einberufung zum RAD, zum ReichsArbeitsDienst, erhielten.“

Der Schusterberg

Nicht so war es am Schusterberg! Während die anderen Flak-Geschütze mangels Luftangriffen nicht mehr benötigt wurden, hatten die Leute am Schusterberg das Pech, dass ihre Kanonen im Abwehrkampf gegen die heranrückenden Russen dringend gebraucht wurden. Die jungen Luftwaffenhelfer hielten am Schusterberg Stellung und bekamen den Befehl: „Bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone auf dem Posten zu bleiben!“ (Originalzitat aus der Pfarrchronik).

Dass die Geschützstellungen von führenden Offizieren frühzeitig verlassen wurden wurde mir von verschiedenen Seiten unabhängig immer wieder berichtet. Selbst wenn es so geschah, Beweis fand ich keinen dafür.

Und wie sie gehalten haben! Als Ende März 1945 die Luftangriffe aufhörten und die Ostfront immer näher rückte, begann man, die Stellungen für den Erdkampf umzurüsten. Nachdem die herannahenden Russen am 9. April in Atzenbrugg einmarschierten versuchten sie ab dem 10. April immer wieder, die Stellungen am Schusterberg zu nehmen. Obwohl die Russen Panzer, Grenadiere und Infanterie (alle mit jahrelanger Fronterfahrung) einsetzten, wehrten sich die Flak-Besatzungen immer wieder erfolgreich. Als die Russen den Berg im Norden über Hütteldorf umgehen wollten wurden sie von einem 2 cm-Flak-Geschütz nordöstlich von Hütteldorf unter Beschuss genommen und zurückgeworfen. Egal, was die Angreifer auch versuchten, die „Buben“ hielten sie nicht nur tagelang in Schach, sondern fügten ihnen schwerste Verluste zu und schossen fast alle russischen Panzer der ersten Angriffswelle ab.

Die letzten Tage

Da die Front an allen anderen Abschnitten zügig Richtung Westen voranschritt waren die Stellungen auf dem Schusterberg schon bald von den eigenen Truppenteilen abgeschnitten. Das hieß nicht nur, dass die Flak-Mannschaften keine Verbindung mehr zu irgendwelchen Kommandanten hatten, sondern auch die Versorgung mit Munition und Lebensmitteln funktionierte nicht mehr. Als Verschärfung der Lage kommt dazu, dass sich der Frontlärm der restlichen Abschnitte immer weiter Richtung St. Pölten entfernte und laufend leiser wurde. Die Chance, von einem gepanzerten Stoßtrupp aus der misslichen Lage herausgehauen zu werden verringerte sich stündlich.

Einzelne der Eingekesselten versuchten immer wieder, vermutlich nachts, sich aus den Stellungen abzusetzen (egal ob aus Feigheit oder auf Befehl). Im Sterberegister von Atzenbrugg und auch in der Pfarrchronik Heiligeneich (siehe nächste Folge) finden sich mehrere diesbezügliche Hinweise. Leichen wurden im weiteren Umkreis des Berges gefunden, sowohl in den Katastralgemeinden Ebersdorf und Tautendorf als auch in Hütteldorf und Hasendorf barg man nach den Kampfhandlungen Leichen. Die Flak-Leute wurden entweder von russischen Stoßtrupps aufgestöbert und niedergemacht oder von Scharfschützen wie Hasen abgeknallt. Es ist auch nicht bekannt, ob es je einer geschafft hat, durchzukommen.

Weiters finden wir viele Einträge im Sterberegister, wo man aber weder Namen oder Geburtsdaten oder Truppenzugehörigkeit herausfand. Dabei dürfte es sich großteils um Flak-Helfer handeln. Diese hatten kein Soldbuch, sondern ein „Personalbuch für Luftwaffenhelfer“. Die Flak-Helfer hatten auch keine einheitlichen Erkennungsmarken und konnten dadurch nur sehr schwer identifiziert werden.

wird fortgesetzt