Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 5 • Ausgabe 15 • Dezember 2003

 

Ein Tag im Leben ...

Sie kamen immer an schönen, sonnigen Tagen, manchmal nur einer, öfters auch ein ganzer Schwarm. Raubvogelgleich, aber viel lauter und bedrohlicher drehten sie ihre Kreise über dem Westen des Ortes. Unerklärlich für viele Bewohner des kleinen Dorfes Heiligeneich wiederholte sich ständig dieses Schauspiel im Verlaufe des vergangenen Jahres. Eingeweihte wussten aber bald, dass es sich hier um den neuen Hubschrauber des Bundesheeres handelt, dessen Instrumentenanflugverfahren genau über Heiligeneich führt. Hauptmann Doppler ist einer der Piloten, die ständig diese schwierige Aufgabe trainieren muss und dabei seine Heimatgemeinde überfliegt.
In unserer neuen Serie wollen wir Menschen aus unserer Mitte einen typischen Arbeitstag lang begleiten und sie Ihnen auch näher vorstellen. Heute erzählt uns der Staffelkommandant der Black Hawk-Staffel aus seinem spannenden Berufsleben ...

0530 der Radiowecker beginnt zu spielen: Roy Orbison mit „Pretty Woman“. Ich schaue rüber zu Elke: „Guten Morgen!“ Nach der Morgentoilette frühstücken wir gemeinsam am liebsten Müsli, Cornflakes, Marmeladebrot und Kakao.
0630 ich setze mich ins Auto und fahre in die Kaserne nach Langenlebarn.
0700 komme ich schon in meine Kanzlei, das Privatgewand ist rasch gegen die Fliegerkombi getauscht. Obwohl der Dienst erst um 0745 beginnt bereite ich mich schon auf den Tag vor (Papierkram und Planungen).
0745 findet die erste Staffelbesprechung (wir Flieger sagen „Briefing“) statt. Allgemeine Informationen und wichtige Details für den kommenden Tag werden erläutert.
0800 die Piloten aller Staffeln finden sich im Lehrsaal der Wetterwarte zum Wetterbriefing ein. Der Meteorologe bringt das Tageswetter von Österreich und eine kurze Vorschau, ein Flugberater allgemeine Fluginformationen.
Als Flugauftragserteilender kann ich mir einen Überblick über die geplanten Hubschraubereinsätze machen, danach kurze Besprechung mit dem Regimentskommandanten, dem Flugkommandanten und den Staffelkommandanten zwecks Koordinierung der fliegerischen Einsätze. Wieder in der Staffel überprüfe ich die vom Einsatzunteroffizier bereits vorbereiteten Flugaufträge und unterschreibe sie. Auch ich bin zum Flugdienst eingeteilt: Hochgebirgslandungen im Raum Ötscher, Hochkar und Dürrenstein.
0855 Jetzt beginnt die eigentliche Flugvorbereitung: Wetterwarte anrufen um detaillierte Wetterdaten: „Im Tullnerfeld dichter Nebel, regnerisch und kalt, bis 1000 m Hochnebel mit leichter Vereisungsgefahr, darüber Sonnenschein und traumhafte Sicht.“ Für einige Flugzeuge ist dieses Wetter höchst problematisch, nicht so für den S70 (Black Hawk). Voll instrumentenflugtauglich, mit Wetterradar und Entei-sungsanlage ausgerüstet ist dieser Flug kein Problem.
Als nächstes werden Flugweg, Treibstoffverbrauch, Gewichtsverteilung, Leistungsberechnung durchkalkuliert. Anschließend gebe ich den Flugplan bei der Flugsicherung auf und erfahre Details über meinen Flugweg: Flugbeschränkungen, ausgefallene Navigationsanlagen, Flugveranstaltungen uvm.
0930 ich treffe meine Crew (den zweiten Piloten und den Bordtechniker) zu einem Briefing und erläutere den geplanten Flugablauf, flugrelevante Details und gebe die Wetterinformationen weiter.
0940 kurz Zeit für Staffelangelegenheiten mit dem Dienstführenden; zur Zeit keine gröberen Probleme. Währenddessen checkt der Bordtechniker den Hubschrauber und rangiert ihn aufs Hallenvorfeld.
1000 auch ich als verantwortlicher Pilot muss die Maschine noch checken: Triebwerks- und Getriebeölstände, allerlei Flüssigkeiten, Rotorblätter, Reifen .....
1010 mein Co-Pilot und ich sind an Bord und führen die Innenchecks durch.
1020 Kontaktaufnahme mit dem Kontrollturm: TULLN TOWER, SIX MIKE BRAVO BRAVO, GOOD MORNING, REQUEST START UP.
Der Turm: SIX MIKE BRAVO BRAVO, TULLN TOWER, GOOD MORNING, START UP APPROVED, TEMPERATURE MINUS FIVE erteilt die Erlaubnis zum Anwerfen der Triebwerke.
1030 SIX MIKE BRAVO BRAVO; CLEARED FOR TAKE OFF; RUNWAY TWO SIX erhalten wir die Startfreigabe
1034 SIX MIKE BRAVO BRAVO, AIRBORNE THREE FOUR gibt uns der Turm die genaue Startzeit. Wir befinden uns in dichtem Nebel, die Sicht ist gleich null, wir verlassen uns ganz und gar auf die Instrumente der Maschine. Kurz bevor wir die Wolkenobergrenze erreichen wird rund um uns alles heller, die Sicht ist noch immer null und dann stechen wir aus dieser Nebelsuppe heraus, unter uns ein richtiges Meer aus weißer Watte. Wie meine Kameraden klappe ich das Helmvisier herunter, da die Sonne blendet. Die Fernsicht ist enorm.
Schon haben wir 250 km/h erreicht, bis zum Ötscher vergehen nur 18 Minuten. In den Bergen absolvieren wir ca. 25 bis 30 Landungen. Diese müssen immer wieder geübt werden, man weiß nie, wann der nächste Einsatz solche erfordert, mit der überragenden Leistung des Black Hawks ein wahres Vergnügen.
Beim Rückflug gehen wir in der Nähe von St. Pölten wieder in Instrumentenflug über. „Good bye Sonne“, denke ich mir, als wir in die Watte eintauchen. Es ist ein eigenes Gefühl, man sinkt in Richtung Flugplatz, Sicht null, erst unmittelbar vor der Landung erkennt man die Pistenbeleuchtung und gleich danach auch Einzelheiten des Flugplatzes.
1237 SIX MIKE BRAVO BRAVO, ON GROUND THREE SEVEN die genaue Landezeit vom Turm, Abstellen, Bordbuch und Flugbuch schreiben. Mittagessen geht sich wieder mal nicht aus.
1300 Besprechung in unserer Fliegerwerft über die zukünftige Ausbildung (zum Teil streng geheim).
1440 zurück in der Staffel habe ich die Dienstpost zu erledigen, alles vom Spieß bestens vorbereitet. Danach folgen die Absprachen mit dem Einsatzunteroffizier und dem Werkmeister (Chef der Bordtechniker) für den nächsten Tag.
1600 Dienstschluss, das ist nicht immer so. Raus aus der Fliegerkombi und ab nach Hause.
1630 zu Hause mache ich eine Stunde Fitnesstraining auf dem Ergometer. Das ist super für den Stress-abbau und eine gute Vorbereitung für die nächste Radrennsaison. Elke werkt irgendwo im Haus, ach ja, die Sesselleisten habe ich auch noch nicht montiert, morgen, ganz sicher!
1930 das von Elke zubereitete Abendessen schmeckt traumhaft. Was für ein wunderbarer Tag!
2130 Kurz vor dem Einschlafen blinzle ich noch einmal rüber zu Elke und denke „Recht hat er, der alte Roy Orbison!!!“ Gute Nacht.


Der Funkverkehr wurde verkürzt wiedergegeben. (JG+AM)