Adolf
Hitlers Waffenkammer oder
Trasdorf - die Wiege der Raumfahrt?
Verfasst von Vizeleutnant Josef GOLDBERGER, Obmann-Stellvertreter
der „Moosbierbaumer Heimatkundlichen Runde“ nach Schriften
des
Herrn Siegfried SELLE, vormals stellv. Dienststellenleiter des A4/V2
Heimatlagers „ISABELLA“, Oberfeuerwerker und Sprengmeister,
später Vizeleutnant des technischen Dienstes beim öBH/HMatA
Wien,
verstorben im Jahre 1997.
Folge 3
Ein Abschuss
Am 31. Jänner 1945 wurde bei einem amerikanischen Luftangriff ein
viermotoriger B-24 Liberator („Befreier“)- Bomber von einer
der umliegenden Flak-Batterien abgeschossen. Vermutlich nach einem Doppeltreffer
zerbarst das Flugzeug in mehrere Teile, die brennend abstürzten.
Weil um die abstürzende Maschine kein einziger Fallschirm zu erkennen
war, war klar, dass sich kein Besatzungsmitglied retten konnte.
Der Rumpf des Bombers schlug ca. 100 m außerhalb des Nordwesttores
auf einem Acker auf, die anderen Flugzeugteile einschließlich des
Leitwerkes schlugen innerhalb des Lagers auf. Die Besatzung war tot,
Pilot, Co-Pilot, Funker und der MG-Schütze der Bodenwanne waren
bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.
Nach ihrer Bergung (durch verlässliche russische Kriegsgefangene)
wurden die Leichen auf dem Friedhof von Heiligeneich beigesetzt und
nach dem Krieg in die Vereinigten Staaten überführt.
Die Besatzung war für den Absprung über Feindesland sehr gut
ausgerüstet. Pilot und Co-Pilot trugen unter der Fliegerkombi Zivilkleidung,
alle Besatzungsmitglieder hatten nachgedruckte Lebensmittel - Abschnitte,
auf Taschentüchern gedruckte Landkarten des Donauraumes von Wien
bis Linz, eine Pistole P-11 (Colt Goverment) und Proviant für
eine Woche.
Großangriff
Am 7. Februar 1945 (das war eine Woche nach dem erwähnten Flugzeugabschuss
bzw. nur zwei Tage nach dem Abtransport der letzten V2) erfolgte ein
Großangriff auf das Tullnerfeld mit ca. 400 - 500 Bombern des
Typs B-17 und B-24.
Der Angriff zeichnete sich durch eine hohe Treffergenauigkeit aus. Schon
beim ersten Schlag gingen alle technischen Einrichtungen verloren, die
zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig waren. Die dieselelektrische
Lok für die Normalspur samt der Halle und das Stromaggregat waren
getroffen. Die Gleisanlagen waren an mindestens dreißig Stellen
durch Bombentrichter unterbrochen, vier Lagerhäuser und drei Munitionsbunker
waren dem Erdboden gleich.
Bomberpilot wurde gerettet
Eine andere Begebenheit möge aber auch zu denken geben:
Der Pilot einer abgeschossenen amerikanischen Maschine landete mit dem
Fallschirm unverletzt innerhalb des A4-Lagers. Der Bürgermeister
von Trasdorf, der von den Nazis eingesetzte Watzendorfer Gastwirt namens
Josef Dinny,
wollte diesen Piloten erschießen, wurde aber von einigen
Wehrmachtsangehörigen daran gehindert.
Der Amerikaner kam in das Kriegsgefangenenlager nach Gneixendorf, wurde
dort von den Russen befreit und kam dann nach Trasdorf zurück, um
mit dem Nazibürgermeister abzurechnen. Dieser hatte aber schon vor
dem Einmarsch der Russen Reißaus genommen.
Schwierige Entminungen
Nach jedem Angriff wurden Schäden im Lager schnellstens wieder repariert
um die Anlage funktionsfähig zu erhalten. Am 7. Februar 1945 glaubte
man, eine ziemlich große Anzahl von Blindgängern beobachtet
zu haben. Dies war ein Trugschluss, denn eine gewisse Anzahl der Bomben
war mit Zeitzündern versehen und sah somit vorerst wie Blindgänger
aus. Diese Bomben konnten innerhalb von wenigen Stunden oder auch erst
nach über einem Tag hochgehen.
Ein weiteres Problem stellten für die Entminungsspezialisten die
vielen verschiedenen Zünder dar, die dabei verwendet wurden.
Einer der besten Bombenspezialisten, ein namentlich nicht genannter
Hauptmann der Luftwaffe, wurde, nachdem er schon 190 500-Pfund-Bomben
entschärft hatte, mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.
Beim Entschärfen seiner 191. Bombe geschah es, der Sprengkörper
ging in die Luft und nahm dem Hauptmann das Leben.
War es mangelnde Vorsicht oder einfach Schicksal? Man wird es nie mehr
erfahren.
Schwierige Entminungen
Am 8. Februar 1945 setzte die USAAF die Bombenangriffe fast in dem selben
Ausmaß fort, um offensichtlich Reparaturarbeiten unmöglich
zu machen. Viele Blindgänger und Zeitzünderbomben (man konnte
sie nicht unterscheiden) wurden somit von anderen Detonationen wieder
verschüttet, Entschärfungen wurden immer schwieriger, teilweise
unmöglich.
Am 9. Februar 1945 waren schon eine Menge Störtrupps unterwegs,
um Nachrichtenverbindungen zu reparieren, als per Funk die Luftlage durchgegeben
wurde. Zu diesem Zeitpunkt hörte man auch schon das monotone Brummen
der Bomberverbände. Herr Selle führte eine kleine Gruppe des
Lagerpersonales, vor allem die verängstigten Frauen, Richtung Trasdorf.
Schon nach 300 Metern mussten sie in einer kleinen Schottergrube Deckung
suchen, da die erste Angriffswelle schon das Lager erreichte. Da die
zweite Welle weiter nördlich im Bereich Dürnrohr-Zwentendorf
niederging, schickte Herr Selle die Leute in den Steingraben, wo Erdhöhlen
als Unterstand zur Verfügung standen, um Deckung zu suchen. Er selbst
ging zurück ins Lager, um nach dem Rechten zu sehen. Was er vorfand, übertraf
seine schlimmsten Befürchtungen: Die 12 Mann des Rücklasskommandos
hatten in einem Luftschutzunterstand Schutz gesucht. Gerade dieser Unterstand
hatte einen Volltreffer abbekommen, und keiner hatte überlebt!
Wird fortgesetzt.

Diese Aufnahme entstand 1955, und zehn Jahre nach
der Räumung des
Trasdorfer Lagers sieht man aus der Luft noch immer die fischgrätförmige
Anordnung der Fundamente der V2-Lagerschuppen (im Bild rechts unten).
Man kann auch noch den Verlauf der Lagerstraßen und Geleise erkennen.
Die Äcker sind noch kleinteilig und nicht kommassiert. Dort, wo
sich heute der kleine Teich mit dem Wohnhaus der Familie Göls befindet
(westlich des heutigen Bauhofes) befand sich die erste Schottergrube
der Firma Steiner. Das heutige Föhrenseegelände und das Gebiet
des Gemeindebadeteiches wurde damals noch landwirtschaftlich genutzt.
Welche Veränderungen in relativ kurzer Zeit!
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