Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 2 • Ausgabe 6 • Dezember 2000
 

Der alte Friedhof

Rund um die Pfarrkirche verfällt ein Stück Heiligeneicher Geschichte von Alfred Fröhlich und Rudolf Reither

Und wieder einmal hat der farbenfrohe Herbst das Land erobert, das wir unsere engste Heimat nennen dürfen. Endgültig vorbei sind die Tage der unerträglich schwülen Sommerhitze. Der ausgedorrte Boden atmet spürbar gierig die kühlende Herbstluft in sich ein und hoch oben ziehen die alljährlich wieder kommenden krächzenden, gefiederten Schwarzröcke ihre Bahnen und überraschen mit ihren Flugkünsten, die auch einen Namen haben: "Schnee reitern ", wie es im Volksmund heißt, und damit sollen die schaurig-schönen Krähen mit ihren einstudiert wirkenden Formationsflügen baldigen Schneefall ankündigen.

Längst ist die Ernte eingefahren und beim Erntedankfest wurde dafür "vergelt's Gott" gesagt. Ruhe kehrt jetzt ein im umtriebigen bäuerlichen Arbeitsjahr. Die Luft ist erfüllt vom Duft frisch gepflügter Erde. Auch der Ackerboden hat jetzt ein Recht auf Ruhe, damit in ihm die Früchte im nächsten Jahr umso kräftiger gedeihen sollen.

Jetzt, in dieser so lichtarmen und mystisch wirkenden Jahreszeit, ist Gelegenheit zur inneren Einkehr und Besinnung. Darum gedenkt man auch alljährlich anfangs November der lieben Verstorbenen des Familienverbandes und engeren Freundeskreises. Wehmütig muß man erkennen, daß die Begräbnisgänge mit zunehmendem Lebensalter immer öfter werden, daß man immer mehr Verwandte und Bekannte zu ihren letzten Ruhestätten geleiten muß und daß die Zeit immer früher kommen wird, da man selbst bald einmal von Verwandten und Freunden begleitet werden wird. Und wie lange wird man nachher noch in Gedanken der Hinterbliebenen "weiterleben" dürfen? Wann wird man endgültig vergessen sein und sein entbehrungsreiches und aufopferungsvolles Dasein im Dienst um seine Familie und um die Öffentlichkeit nur ein Windhauch im Sturm der Ewigkeit werden?

Ein lautes Krächzen einer großen Krähe reißt je aus tiefen Gedanken während die Kieselsteine unter den langsamen Schritten knirschen. Es ist bereits dunkel geworden und die Luft fühlt sich merklich kühler an. Es wird sicher eine sehr kalte Nacht werden, wenn nicht Nebel einfällt und die Abkühlung des Bodens mindert - und da ist er auch schon. Still und leise, wie es so seine Art ist, fällt er ein und umhüllt den späten Wanderer mit dem Mantel der Anonymität. Hoch, wie ein mahnend erhobener Zeigefinger, der Einhalt gebieten will, ragt der Kirchturm in den dunklen Nachthimmel.

Bald wird ihn der Nebel "verschlungen " haben. Im einsetzenden Nieselregen glitzert der Stamm der mächtigen Eiche im Licht der fernen Straßenbeleuchtung. Wie lange mag sie wohl schon hier stehen und ihre Wurzeln tief in die Erde graben? Irgendwie spürt man, daß hier ein besonderer Ort ist, ein Ort, der Kraft geben kann, wenn man sich dafür offen zeigt - ein heiliger Ort.

Der Weg führt den späten Wanderer vorbei am hell beleuchteten Kriegerdenkmal, das Zeugnis gibt vom sinnlo­sen Tod so vieler Män­ner unserer Gemeinde in grausamen Kriegen. Möge dieses Denkmal als trauriges Mahnmal und Stätte der Besinnung gelten für all diejenigen, denen Radikalismen in Worten und Taten plötzlich wieder salonfähig erscheinen!

Sein Spaziergang führt den Nebel- Wanderer zu den alten Grabstellen an der Mauer nächst der Kirche. Vergessen von allen fristen sie hier als Erinnerungsdenkmäler an schon sehr lange Verstorbene ihr trauriges Dasein, wahrscheinlich nicht mehr all zu lange, denn ihr Zustand ist bereits so desolat, daß wahrscheinlich eines fernen Tages die Grabanlagen gänzlich verfallen sein werden. Wäre es nicht angebracht im Sinne einer aktiven Dorfverschönerung und Dorferneuerung den alten Pfarrfriedhof zu renovieren? Dem Gesamterscheinungsbild der Kirche und des Platzes um die Kirche wäre es sicherlich sehr einträglich!

Warum sind hier im Ortszentrum eigentlich überhaupt Grabanlagen vorzufinden? Nun, in früheren Zeit begrub man die Toten nämlich nächst der Kirche - daher auch der Name "Kirchhof". Aus sanitären Gründen wurden diese Begräbnisstätten aber aufgelassen und aus Städten, Märkten und Pfarrorten ins freie Feld hinaus verlegt. Aber viele Jahrhunderte lang wurden auch bei uns die Toten nächst der Kirche bestattet. Erst im Jahre 1881 wurde der alte Friedhof aufgelassen. Der letzte dort begrabene Tote (12. April 1881) war das Schuhmacherskind Anton Engelbrecht aus Atzenbrugg 29.

Im selben Jahr wurde der neue Friedhof außerhalb Heiligeneichs geweiht. Der erste dort begrabene Tote (6. Mai 1881) war das Taglöhnerkind Johann Strobl aus Weinzierl 14. Dieser neue Friedhof wurde 1881 für die Gemeinden Atzenbrugg und Trasdorf angelegt. Der Spatenstich für den neuen Friedhof erfolgte am 20. September 1880, die Weihe durch Dechant Karl Lechner aus Pottenbrunn fand am 19. April 1881 statt. Die Baukosten betrugen 3.170 Gulden. Im Jahre 1912 wurde der neue Friedhof um ein Drittel erweitert. In diesem Jahr wurde auch das Mausoleum (Gruftgrabstätte der Familie Ritter Harras von Harrasowsky) erbaut.

Im November 2000 wurde eine nochmalige Erweiterung des Friedhofs fertiggestellt und von GR Pfarrer Richard Jindra geweiht.

Doch zurück zum alten Friedhof. Der alte Friedhof bei der Kirche ist laut Grundbuch Eigentum der Kirche Heiligeneich. Er ist 3546 m2 groß. 1923 wurden durch den Verschönerungsverein Heiligeneich Wege angelegt, abgezaunt, sowie Bäume und Sträucher gepflanzt. Heute sind die Grabhügel längst verschwunden und der Anblick ist der einer Parkanlage ähnlich, wären da nicht die bereits erwähnten Nischen mit Grabsteinen an der westlichen Umfassungsmauer und an der Südwand der Kirche.

Bei seinem Gang durch die Anlage soll man sich immer bewußt sein, daß der Boden menschliches Gebein beherbergt und dementsprechend pietätvoll wollen wir auch die Grabanlagen näher betrachten.

Die erste Grabstelle rechts an der Mauer ist die Grabstelle des Gottfried Lötsch. Die Eltern waren Notariatseheleute in Atzenbrugg. Das Kind ist im Alter von 7 Monaten im Jahre 1865 verstorben. Es folgt die Grabstelle der Familie Mandl aus Trasdorf. Danach die Grabstelle des Josef Schulmeister. Geboren 1849 in Atzenbrugg 19 verstarb er 1871.

Dann die Grabstelle des Michael Wegscheider, der 1852 im 55. Lebensjahr verstarb.

Daran schließt an die Grabstelle des Franz Seraphinus Lentner, der 1869 in Trasdorf verstarb. Sein Sohn Franz wurde dereinst Besitzer des Hauses Trasdorf 15, seine Tochter Marie wurde Gattin des Gastwirtes Figl in Moosbierbaum und seine Tochter Theresia verstarb als verwitwete Wieser in Hütteldorf

Die Grabstelle Anton Gerzabek schließt das Nischenensemble beim Tor ab. Er war Hutmacher in Heiligeneich, Gemeinderat und Schulaufseher. Er hatte in erster Ehe 6 Kinder und in zweiter Ehe 4 Kinder. Er verstarb 1875. Seine zweite Frau war eine geborene Zederbauer.

Die erste Grabstelle nach dem Gittertor ist wegen Unleserlichkeit der Inschrift leider nicht mehr definierbar.

Danach erkennt man folgenden Grabstellen:

Grabstelle Hubert Schmidt, verstorben 1868, k.u.k. Steuereinnehmer und Gutsverwalter in Atzenbrugg.

Grabstelle Hermann Joppich. Er war Arzt, hatten eine große Familie, mehrere seiner Kinder verstarben sehr früh.

Grabstelle Josef und Anna Häusler. Das Wirtschaftsbesitzersehepaar in Weinzierl 7 verstarb im Jahr 1861, bzw. 1882.

Grabstelle Johanna Schnurpfeil, verstorben 1873 in Atzenbrugg.

Grabstelle Josefa Jilch. Sie war Gattin eines Bäckermeisters auf dem Geier'scheu Haus in Heiligeneich und verstarb 88-jährig 1880.

Grabstelle Josef Brauneis, verstorben 1864.

Grabstelle Josef Figl aus Watzendorf 2, gestorben 1866. Gattin Franziska verstarb 1862.

Grabstelle Vincenz Prillinger. Er war k.u.k. Steueramtskontrollor in Atzenbrugg, geboren 1796, verstorben 1864. Einer seiner Söhne wurde Schauspieler, kehrte aber verarmt wieder nach Atzenbrugg zurück.

Grabstelle Valentin Sterk. Er war Wundarzt in Atzenbrugg und verstarb 1863 im 83. Lebensjahr.

Sein Sohn Valentin besaß das Gasthaus "Zur blauen Traube" in At­zenbrugg. Dessen Witwe verkaufte das Gasthaus an Alois und Franziska Weidlinger.

Grabstelle Johann Gerhold. Er besaß das Ring'sche Gasthaus in Heiligeneich, das dann an Anton Ring überging. Er verstarb 1842.

Grabstelle Adalbert Weiß. Er war Schullehrer in Heiligeneich und starb 1863.

Grabstelle der Familie Ring. Anton Ring verstarb 1860. Sein Sohn Ferdinand verstarb 3 Tage nach dem Tod des Vaters. Weiters ruht hier die Ehefrau Anton Ring's, Theresia Ring. Sie verstarb 1879.

Grabstelle Josef Brauneis. Er war Huf- und Wagenschmid in Moosbierbaum und verstarb 1859. Ehegattin Marie Brauneis verstarb 1873.

Grabstelle Leopold Hochhauser. Er war Amtsaktuar und verstarb 1850. Er war in Weinzierl 23 zu Hause. Ehefrau Rosalia Hochhauser verstarb 1859, Sohn Josef Hochhauser verstarb 1852.

Grabstelle Eduard Weiß. Er verstarb 1858 im 18. Lebensjahr.

Grabstelle Ferdinand Wolfgang. Er war Oberlehrer und verstarb 1877. Er war Mitglied des Bezirksschulrates St. Pölten. Sein Sohn Ernst verstarb 1873 im 13. Lebensjahr, seine Tochter Marie 1877 im 16. Lebensjahr.

Grabstelle der Familie Braunsteiner. Die Familie war in Heiligeneich ansässig; sie waren Kaufleute. Leopold Braunsteiner, geboren 1773, verstarb 1855. Dessen Sohn Ferdinand (auch Schulaufseher in Heiligeneich gewesen) verstarb 1880. Dessen Gattin Therese verstarb 1879. Dessen Sohn Ferdinand Braunsteiner besaß das Geschäft Schwab. Seine Frau war eine geborene Brauneis aus Moosbierbaum. Beide sind bereits auf dem neuen Friedhof beerdigt worden.

Grabstelle Josef Jantschek. Er war das Kind des Gerichtsdieners Wilhelm Jantschek aus Heiligeneich.

Grabstelle Josef Brandstetter. Er lebte in Moosbierbaum in kinderloser Ehe im Haus des Schmiedemeisters Pauer.

An der südlichen Kirchenmauer befinden sich folgende Grabstätten:

Grabstelle des Pfarrers Adam Gschladt. Er war einstiger Kooperator und nachmaliger Pfarrer in Heiligeneich. 35 Jahre lang übte er sein Seelsorgeamt aus. Er wurde 1786 geboren und verstarb 1846. Er war ein Zeitgenosse des Liederfürsten Franz Schubert und da er selbst ein guter Musiker war ist anzunehmen, daß er während Schubert's Aufenthalt in Atzenbrugg öfters mit ihm beisammen gewesen war.

Grabstelle Johann Hofbauer. Er lebte in Hütteldorf und verstarb 1881. Eine Gedenktafel erinnert an den Heldentod eines seiner Enkel, Ferdinand Hofbauer, als Gefreiter im k.u.k. Feldhaubitzenregiment Nr. 58. Er errang die bronzene und silberne Tapferkeitsmedaille. Im Alter von 24 Jahren wurde er in Bucovica bei Görz durch einen Volltreffer getötet.

Grabstelle Josef Wegl. Er war Realitätenbesitzer in Streithofen und verstarb 1881. Er war der Stiefvater der späteren Gastwirtsgattin in Atzenbrugg, Frau Katharina Steck.

Als letzte Grabstelle, die noch auf dem alten Friedhof existiert, erkennt der einsame Wanderer die Grabstelle des Pfarrers Sebastian Biedenbach. Der Konsistorialrat verstarb 1881 77-jährig in Heiligeneich.

Niemand hat sie je gesehen und niemand nahm teil an ihren vielfältigsten Schicksalen. Sie waren Wegbereiter für unsere jetzige Gegenwart genauso wie wir Wegbereiter sind für die baldige Gegenwart der zukünftigen Menschen, die unsere engste Heimat bewohnen werden - "...das ewige Leben eben", durchzuckt ein Gedanke den nachdenklich gewordenen späten Wanderer im Nebel an diesem beeindruckenden Ort.

Mythen und Legenden umrankten aber auch noch eine lange Zeit nicht entdeckte Grabstelle: die Gruft in der Kirche!

Unter der alten Kirche und wahrscheinlich auch unter der neuen Kirche vermutete man immer schon eine Gruft.

Die genaue Lage war unbekannt und alles Forschen und Graben nach dieser Totenstätte blieb ergebnislos.

Alte Eintragungen im Totenbuch der Pfarre Heiligeneich nährten aber die Gerüchte, daß die Gruft irgendwo da unter der Kirche existieren mußte:

29. Mai 1754: "Träsdorff, an diesen Tag ist begraben worden die Wohl und gestrenge Frau Magdalena Rabensbergerin, geweste Frau Verwalterin zu Sitzenberg. Hat ihre Ruehstatt in aldasiger Krufften. Ihres Alters 68 Jahr. "

5. Dezember 1770: Der 54 Jahre alte Klosterneuburger Chorherr und Administrator des Schlosses Atzenbrugg Jakob Lex wurde begraben und "hat seine Grabstatt herunter der Stiegen in dem Gotteshaus zwischen der Kanzl und Josephialtar" (Grufteingang?). Krankheits- und Begräbnisrechnung ("Specifikation") nach dem am 12. Mai 1781 verstorbenen 26­jährigen Kooperator Josef Gabesam: "...den Todtengraber wegen Auf- und Zumachung der Gruften Hierinnen verferttigten Grabstelle 1 fl 30 kr" berechtigt zur Annahme einer Beisetzung in einer Gruft. Man glaubte auch, daß in der Gruft auch die Pfarrer Ignaz Wital (gestorben 1797) und Franz Detlbach (gestorben 1822) ihre letzten Ruhestätten gefunden hätten, da das alte Totenfeld um die Kirche über diese und andere Priestergräber vor 1846 (Todesjahr des Pfarrers Adam Gschladt) keine Spuren zeigte.

Erst anläßlich von Renovierungsarbeiten in der Kirche entdeckte man schließlich eines Tages die geheimnisumwitterte Gruft in der Kirche. Sie war jedoch leer.

Der Nebel ist noch dichter geworden und auch die Zeit ist weit fortgeschritten. Immer wieder mahnt der strenge Schlag der Kirchenglocke, daß die Zeit nicht stillsteht.

Die Schritte des nächtlichen Besuchers dieses Stücks morbiden Heiligeneichs entfernen sich. Nur mehr schemenhaft ist der Körper im alles umgebenden Herbstnebel auszumachen.

Auf dem Nachhauseweg fallen dem Wanderer die rührigen Worte des verstorbenen Pfarrers Grießler ein, der da einst in einem seiner "Heiligeneichen Pfarr­und Kirchenblätter" unter anderem geschrieben hat:

"Das Totenfeld bei dem Pfarrheiligtum ist altehrwürdiges Land, heilige Erde; durch ein halbes Jahrtausend wurden dort unsere Vorfahren zur letzten Ruhe gebettet und viele tausend tote Brüder und Schwestern schlummern daselbst der Auferstehung entgegen. Diese Toten und ihre Gräber in Ehren zu halten wird stets die Pflicht der Lebenden sein.

Uns soll aber als besondere Pflicht gelten, den "alten Friedhof", soweit er noch besteht, und sein charakteristisches Gepräge zu bewahren, ganz besonders aber die so stimmungsvollen Grabnischen an seiner Westseite vor dem gänzlichen Verfalle zu retten, bzw. ihrer früheren Schönheit wieder entstehen zu lassen...”

Mögen diese Gedanken eines großen Mannes unserer Gemeinde aus bereits lange vergangenen Zeiten als sein uns besinnendes Vermächtnis gelten und Mittel und Wege offenbaren, um ihn renoviert an unsere Nachkommen übergeben zu können, "unseren" alten Friedhof neben der Kirche in Heiligeneich.

Quelle: Heiligeneicher Pfarr- und Kirchenblätter, Jahrgang 1929

• Der alte Friedhof

• Heimatliche Literatur von Gaby Eder

• Athletenclub Atzenbrugg

• Der Waldhof