Moosbierbaumer
Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
|
|
WEGE Jede Kulturlandschaft wird von Ruhepunkten und von Linien gegliedert und diese Linien sind Spuren einer Bewegung, sei es des Wassers oder reisender Menschen. An den Ruhepunkten, den Ortschaften, sammeln sich die Menschen zur Arbeit, zum Spiel, zum Essen und zum täglichen Schlaf- hier sind sie daheim. Die Linien benützen sie, um Kontakte zu knüpfen, um zur Arbeit zu fahren, zum Einkauf, oder einem "Maistrich" folgend zur Brautschau. Man führte sein Holz zur Säge nach Untergrafendorf, das Getreide zur Schindelmühle, das Rind zum Fleischhauer in Heiligeneich und den Wein zum Wirten in Kasten. Auf der Reichsstraße aber reiste ein Bischof zum Kaiser in Wien, und in Perschling kehrte er zu einer Jause ein, während die Pferde seiner Kutsche gewechselt wurden, die dann bis Sieghartskirchen durchhalten mussten. Zur "Reichsstraße" machten in den Fünfzigerjahren meine Eltern Sonntagsausflüge um den Straßenverkehr zu betrachten und ich erlebte als Kind 1952 den Transport der Pummerin von Oberösterreich nach Wien zum Stephansdom, eine Reise als groß gefeiertes Symbol des Wiederaufbaus nach dem Krieg. Durch viele Jahrhunderte folgten die Verkehrswege in einigem Respektabstand den Flüssen. Das änderte sich radikal mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. So wurde die Trasse der Kaiserin Elisabeth Westbahn, in der Mitte des 19. Jh. zwischen Wien und St. Pölten quer zu allen Tälern des Alpenvorlandes über Viadukte, Dämme und Tunnel angelegt. Bei Böheimkirchen quert sie das Perschlingtal und zwei Berichte aus jener Zeit mögen Einblick in die Problematik solcher Großbauten geben. In Weisching stand ein Barackenlager für die vielen Arbeiter am Bahnbau. Aus allen Gegenden der Monarchie waren sie hierhergekommen, um sich ihr karges Brot zu verdienen. Mit Krampen, Schaufel und kleinen Karren errichtete ein Heer von Arbeitern die hohen Bahndämme über den Stiergraben und in Schildberg. In der Perschling aber ertrank das Kind einer Arbeiterfrau aus Bosnien. Eine kaum beachtete Tragödie macht so einen neuen, persönlichen Aspekt großen, imperialen Bauwesens sichtbar. Die zweite Überlieferung betrifft den Bahnhof von Böheimkirchen. Er sollte ursprünglich bei Sichelbach entstehen. In Böheimkirchen aber erkannten viele Bürger die wirtschaftliche Bedeutung des neuen Verkehrsmittels und setzten unter der Führung des Kaufmanns Braunsteiner eine Verlegung des Bahnhofs an seinen heutigen Platz in Böheimkirchen unter Aufwendung eigener Geldmittel durch. (Schulchronik von Böheimkirchen) Auch die Westautobahn, als zweite Hauptverkehrsader, quert die Perschling ohne Rücksicht auf den Verlauf des Tales. Die Strategie des modernen Verkehrs war von Hitlers Experten entworfen worden und findet heute ihre Bestätigung im Guten wie im Schlechten. Ein Bericht des Zeitzeugen Josef Serlath liefert ein eindruckvolles Bild des Baugeschehens in jener Zeit (Herbst 1938): "Die zwei Bagger hatten schon Dampf bekommen und machten die ersten Drehversuche. Sie bewegten sich nicht auf Ketten, sondern auf Schienen, die auf sogenannten Matratzen montiert waren. Die Materialbewegung wurde mit jedem Tag größer. Bald waren in Gemersdorf sieben und am Hochfeld (Plosdorf) fünf Dampfloks in vollem Betrieb. Um die Bagger ging es denn auch zu, wie auf einem Verschiebebahnhof." Der 2. Weltkrieg machte dem Vorhaben ein Ende und erst 1958 wurde dieses Autobahnteilstück dem Verkehr übergeben, das heute gemeinsam mit der Westbahn einen großen Teil des europäischen WestOstverkehrs unser Tal queren lässt. Nach dem 2. Weltkrieg begann auch eine radikale Änderung in der Einstellung der Menschen zum Verkehr. Galt die Nähe einer großen Straße bis dahin als so wertvoll, dass man ihr nahe sein wollte, dass man nach ihr Tore und Fensterfronten orientierte und an ihr seine Mußestunden verbrachte, "Straßenkinder" spielten, so hat die einsetzende Verkehrslawine eine Wandlung ins Gegenteil bewirkt. Die Bankerl der Alten sind verschwunden, für die Kinder müssen Spielplätze geschaffen werden und immer mehr Verkehrsbauten laufen zwischen Lärmschutzwänden. Aus Lebensadern von einst sind dröhnende, höchst gefährliche Todesstreifen geworden. Nach einem Besuch im Heimatmuseum in Perschling, das in seiner reichen Ausstattung, seinem Quartier in einem ehemaligen Einkehrsgasthof und seiner liebevollen Betreuung ein kleines Kulturjuwel darstellt, mache ich auf meiner Wanderung eine Rast im nahen Haselbach. Uralt ducken sich Kirchlein und Dorf in die Senke, wo einst die Römerstraße von Vindobona nach Caetium (St. Pölten) führte. Die Heiligen Florian und Severin könnten hier durchgezogen sein, vielleicht gar ein römischer Kaiser. Wir wollen keine Vergleiche anstellen und nicht werten. Es ist besser durch die Zeiten zu träumen, der Reise der Bäche zu lauschen und nach einer gemächlichen Radtour bei einem Heurigen in Obermiesting einen gemütlichen Tag, bei Surfleisch, Blunzen und Kren ausklingen lassen. |
• Eine
kurze Geschichte der Zeit • Das
literarische Podium |