Moosbierbaumer Dorfblatt'l. Unabhängige Moosbierbaumer Dorfzeitung
Jahrgang 4• Ausgabe 11• September 2002
 

DIE OBSTBAUMALLEE

Die Experten für Verkehrssicherheit haben herausgefunden, dass Autofahrer in Alleen langsamer fahren als auf kahlen Straßen. Sie erscheinen ihnen enger und gefährlicher und die Fahrer reduzieren das Tempo, das heißt, sie bewegen sich etwas menschlicher, natürlicher fort.

Ursprünglich hatten diese Obstbaumalleen hauptsächlich die Aufgabe, auch die Straßenränder für die Produktion von Nahrungsmitteln, in unserem Gebiet von Mostbirnen, zu nutzen. Darüber hinaus wussten auf Ochsengespannen oder offenen Pferdewagen Reisende, und erst recht Wanderer, den Schatten zu schätzen, wenn sie im Sommer unterwegs waren. Heute kommen speziell die Radfahrer in diesen Genuss, zumal sie verkehrsarme Nebenstraßen bevorzugen, an denen sich auch die schönsten und ältesten Alleen erhalten haben. (z. B. zwischen Böheimkirchen und Sieben­hirten)

Gleichzeitig lassen die oft über 100 Jahre alten Straßenbäume auf ein noch sehr viel höheres Alter des Verkehrsweges schließen, denn erst der Verkehr und die Baumaschinen unserer Tage bewirken bisweilen eine Neutrassierung, während die Straßen früher durch Jahrhunderte gleich blieben. Getrost dürfen wir uns in einer Allee dem Gefühl hingeben, dass wir hier einem mittelalterlichen Karrenweg folgen.

Was aber veranlasst in einer Zeit, da Most produzierende Bauern immer weniger werden, die Straßenverwaltungen neue Alleen auszusetzen?

Zur Geschwindigkeitsreduktion wäre ein Verkehrszeichen doch viel billiger und bedarf keiner Pflege!

Zweifellos spielt dabei auch das Bewusstsein eine Rolle, dass die Straßen ein wesentlicher Bestandteil unserer Kulturlandschaft sind, dass sie ein Qualitätsmerkmal für Einstellung und Geist ihrer Bewohner sind. Die Erkenntnis, daß eine Straße mit Bäumen die Lebensqualität ihrer Benützer steigert, ist eine jener wenigen Nischen, in denen sich die Qualität gegenüber der Quantität zu behaupten vermag.

Die griechische Philosophenschule der Stoiker leitet ihren Namen von einem Hain der Stoa ab, in dem die disputierenden Denker zu wandeln pflegten. Wie in den relativ geometrischen Baumgärten finden wir im Rhythmus der Alleebäume jenes mediative Element wieder, das die Verbindung des Profanen mit der Welt des Geistes und der Seele herstellt.

Durch eine Allee zu wandern, eventuell zu radeln, heißt da sein. Sich in einer Allee zu bewegen ist nicht eine Zeit, die der Überwindung einer Strecke geopfert werden muss, sondern sie ist eine genutzte Zeit der Freude, die in der Lebensbilanz auf der Habenseite des Seins zu verbuchen ist.

 

• Eine kurze Geschichte der Zeit

•Atzenbrugger Almanach


• Die schwarze Muttergottes von Tautendorf

Das literarische Podium

° Vor Langer Zeit

° Naturdenkmal Alte Perschling

° Die Obstbaumallee

° Regulierungen

° Die Schlösser

° Sakralbauten

° Wege

° Das Chemiewerk Moosbierbaum-Pischelsdorf

° An der Mündung